Sweetgrass - das Herz der Erde
Kristina sich ein. “Was ist denn eine chinesische Partnerschaft?”
“Ich habe keinen blassen Schimmer”, antwortete Mama June. “Aber was immer es ist, es muss etwas mit Adeles Strategie zu tun haben.”
“Ich kann es mir auch nicht erklären”, gab Morgan zu. “Wenn Daddy doch nur noch irgendwo eine Kopie dieser Vereinbarung herumliegen hätte.”
“Die hat er ganz bestimmt”, sagte seine Mutter und wirkte erleichtert. “Dein Vater hat in seinem Büro nie irgendetwas weggeworfen, schon gar kein juristisches Dokument.”
“Dann möchte ich mal wissen, wo es sein soll. Ich habe jeden einzelnen Bogen Papier in seinem Büro durchgesehen. Es gibt keine Belege über diese Vereinbarung, nicht mal ein Memo.”
“Hast du dir auch schon die Kartons auf dem Dachboden angesehen?”
“Die was?”, rief Morgan entgeistert. “Warum hast du mir von denen denn nichts gesagt?”
“Weil das alles uralte Unterlagen sind. Alles, was noch von Bedeutung war, hat dein Vater in seinem Büro aufbewahrt. Vielleicht sind sie bei den Unterlagen auf dem Dachboden? Es ist ja schließlich schon eine ganze Weile her.”
Morgan sah seinen Vater mit glühenden Augen an. “Wenn du trotz allem, was du durchgemacht hast, in der Lage bist, uns von dieser chinesischen Vereinbarung zu erzählen, dann kannst du die Farm darauf verwetten, dass ich diese verdammte Vereinbarung finde.”
Mama June eilte an Prestons Seite. Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände und beugte sich vor, um ihn auf den Mund zu küssen. “Du bist wirklich ein unglaublich kluger Mann!”
Mitte Juli ist es auf jedem Dachboden heiß, aber ein Dachboden in den Südstaaten der USA ist die reinste Hölle.
Morgan atmete eine Luft so dick und feucht, dass er das Gefühl hatte, genau zu spüren, wie sich auf seiner Lunge Schimmel bildete. Er wühlte sich durch Pappkartons, die so feucht waren, dass sie unter seinen Händen nachgaben. Die lederne Aktentasche seines Vaters war von einer dicken Schicht Staub bedeckt, und mehrere Kartons waren voller verblichener Papiere mit Stockflecken darauf. Der Staub klebte schwarz an seinen Fingern, und der Schweiß tropfte ihm von der Stirn und rann ihm so schnell den Rücken hinunter, dass er den Flüssigkeitsverlust kaum ausgleichen konnte, obwohl Nona ihm immer wieder süßen Tee nach oben brachte.
Doch trotz der erdrückenden Hitze beeilte sich Morgan nicht. Stattdessen studierte er sorgfältig jedes einzelne Blatt Papier, das er in die Hand nahm. Die Stunden vergingen, und trotzdem wunderte er sich, als er zum Mittagessen nach unten gerufen wurde. Der Vormittag war vorbei, und trotzdem hatte er sich bisher nur zur Hälfte durch die Unterlagen auf dem Dachboden gearbeitet. Mama June befürchtete, er könnte in der Hitze ohnmächtig werden, und bestand darauf, dass er eine kalte Dusche nahm und sich umzog. Dankbar kam Morgan ihrem Drängen nach. Sie machte ihm ein kaltes Mittagessen mit Gazpacho-Suppe, kaltem Lachs, Salat Niçoise und Eiscreme zum Nachtisch. Danach machte er sich gestärkt wieder an seine Arbeit im Hades.
Weitere Stunden vergingen. Er beendete die Durchsicht eines weiteren Aktenstapels und brachte ihn zum hinteren Ende des Dachbodens. Weil er Staub aufgewirbelt hatte, der in den erbarmungslosen Strahlen der Sonne tanzte, die durch die Dachfenster fielen, musste er furchtbar husten. Sein Blick fiel auf einen neuen Stapel verschlossener Kartons. Er wischte sich mit der Hand über die Stirn und überlegte, ob er es für den Tag gut sein lassen sollte, als sein Blick auf einen Karton fiel, der in großen Zahlen die Aufschrift “1989” trug.
Er ließ den Arm sinken, und sein Herzschlag beschleunigte sich. Ungeduldig riss er das Klebeband ab und griff in den Karton. Immer langsam, ermahnte er sich und ging bedächtiger vor, als er die Akten in die Hand nahm, so schwer es ihm auch fiel.
Er stieß auf das Zerstörungsprotokoll nach dem Hurrikan Hugo, das sein Vater mit der Versicherungsgesellschaft erstellt hatte. Es war ausgesprochen detailliert und dokumentierte in allen Einzelheiten, was alles in Mitleidenschaft gezogen worden war: das Molkereihäuschen, die Räucherei, eine Herde Kühe, Außengebäude und Ställe, der Pfirsichgarten und die gesamte Ernte. Morgan fand alte Steuerbescheide – die Summen waren lächerlich niedrig im Vergleich zu heute –, Hypothekenraten, Krankenversicherungsbescheide, Lebensversicherung … all die üblichen Rechnungen und Belege für erfolgte Zahlungen.
Plötzlich
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