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Sweetgrass - das Herz der Erde

Sweetgrass - das Herz der Erde

Titel: Sweetgrass - das Herz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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Komm schon. Adele!”, rief er. “Beeil dich!”
    Adele schaute unwillig, schluckte ihren Protest jedoch herunter. Sie wusste, dass mit Preston nicht zu spaßen war, wenn es um das Boot ging. Die Gezeiten waren tückisch. Bei Flut verbargen die Gewässer gefährliche Muschelbänke, die ein Boot der Länge nach aufschlitzen konnten. Bei Ebbe konnte man leicht auf Grund laufen – und das passierte recht häufig. Solche Rettungsaktionen waren keine Seltenheit.
    Mary June saß neben Adele und klammerte sich mit der einen Hand an den Bootsrand, während sie mit der anderen ihren Schlapphut festhielt. Die Flut ging in der Tat bereits zurück. Als sie in Blakely’s Bluff losgefahren waren, war der Wasserstand hoch gewesen, und die Flut hatte das Wasser in den Sumpf gedrückt. Mittlerweile war der Pegel so niedrig, dass immer wieder Muschelbänke wie kleine Inseln aus dem Wasser ragten – spitz, messerscharf und gefährlich.
    Als sie wieder den Bach erreicht hatten, war das Wasser auf der der Strömung zugewandten Seite des Bootes recht tief, auf der anderen jedoch flach. Dort konnte man den sumpfigen Boden erkennen und den schlammigen Grund, in dem die Winkerkrabben ihre Höhlen hatten.
    Preston wirkte angespannt. Mit wachsamen Augen hielt er Ausschau. Er drosselte den Motor ein wenig, als er das Boot durch das Labyrinth des Sumpflandes bugsierte.
    “Adele! Hol die Stange!”
    Ausnahmsweise gab Adele keinen schnippischen Kommentar ab. Sie bewegte sich flink und klaubte vom Boden des Bootes eine lange Metallstange, die sie an der flachen Seite ins Wasser steckte. Wo das Wasser verdächtig flach schien, drückte sie das Boot mit der Stange weg.
    “Können wir hier auflaufen?”, fragte Mary June und beobachtete misstrauisch, wie Adele mit der Stange immer wieder auf den Grund traf.
    “Könnten wir”, antwortete Preston. “Hier bleiben dauernd Leute im Schlamm stecken. Aber nicht wir.”
    Auch wenn an jeder Abzweigung aufs Neue mehrere Flussläufe auftauchten, die in alle möglichen Richtungen führten, war sie sich sicher, dass Preston den Weg ganz genau kannte. Zwar fragte sie sich insgeheim, wie es möglich war, dass er sich so gut auskannte, wo es doch verwirrend viele Bäche gab – dennoch vertraute sie ihm voll und ganz. Er hatte ihr erzählt, dass er seine ganze Kindheit hier draußen in den Sümpfen verbracht hatte – beim Schwimmen, im Schlauchboot und im Ruderboot –, so wie schon sein Vater und alle seine Vorfahren vor ihm.
    Sie drückte sich an den Rand des Bootes, um Preston und Adele nicht in die Quere zu kommen, als sie enge Kurven nahmen und sich durch hohes Gras quälten, über das man kaum hinwegsehen konnte. Die Sonne über ihnen stand hoch und brannte unerbittlich. Ihre Arme waren bereits krebsrot. Mary June seufzte erleichtert, als sie das Spitzdach von Blakely’s Bluff ausmachen konnte und der einladende Bootssteg langsam näher kam.
    Sie legte die Hand an die Stirn, um besser sehen zu können. Auf dem Steg stand ein großer dunkelhaariger, gut aussehender, junger Mann, den sie nicht kannte. Er war braun gebrannt und hatte die schlanke, gut gebaute Figur eines Schwimmers. Er hielt die Arme vor der Brust verschränkt und wirkte drohend.
    Mary June fand, dass er ein bisschen so aussah, als käme er geradewegs aus dem Bett. In seinem Mundwinkel hing lässig eine Zigarette, seine Shorts waren ausgefranst, als hätte man sie mit einer Schere abgeschnitten, und sein Haar stand wild von seinem Kopf ab. Hinter ihm saßen zwei Freunde, die so ähnlich aussahen, auf einem Holzstapel und tranken Bier, das sie aus einer Kühltasche genommen hatten, die sie mitgebracht hatten.
    “Na, das wird aber auch Zeit!”, rief der Mann, als sie näher kamen. “Wo zum Teufel seid ihr so lange gewesen?”
    “Hallo, Tripp!”, rief Adele zurück und strahlte, als sie ihn erkannte. “Du bist wieder da! Schatz, wo zum Teufel bist
du
gewesen?”
    “Geht dich gar nichts an”, erwiderte er müde und lächelte schwach, als spräche er über verbotene Orte. Dann richtete er seine dunkelbraunen Augen auf Preston und knurrte: “Fahr nicht wie ein Mädchen, Press. Leg endlich an.”
    Prestons Gesicht versteinerte, während er mit dem Boot langsam und sorgfältig anlegte und den Motor abstellte.
    “Ihr müsst es nicht vertäuen”, sagte Tripp, als Adele ihm die Taue zuwerfen wollte. “Ich fahr gleich wieder raus.”
    “Einen Teufel wirst du!”, brüllte Preston. “Das ist ja Wahnsinn! Das Wasser steht zu niedrig, du

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