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Sydney Bridge Upside Down

Sydney Bridge Upside Down

Titel: Sydney Bridge Upside Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ballantyne
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die Bezeichnung Schiff eigentlich nicht verdient. Trotzdem war es natürlich ganz nett zuzusehen, wie sie in den Hafen einlief, wie sie immer wieder ins Schlingern geriet. Sie fuhr nämlich gerade durch mehrere gefährliche Querströmungen, denen Kapitän Foster offenbar die gleiche Aufmerksamkeit schenkte wie den Felsen, die hier und da aus dem Wasser ragten. Früher hatten auch größere Schiffe in Calliope Bay angelegt, aber ich erinnerte mich eigentlich nur noch an die alte Emma Cranwell , die zwischen den Felsen und Strömungen hindurchschlingerte. Ich hatte nicht vor, noch einmal einen Fuß auf sie zu setzen, aber daran, dass sie jetzt kam und uns die schüchterne Cousine brachte, war nichts auszusetzen.
    »Ich kann Kapitän Foster sehen«, rief Dibs, »Ahoi, ahoi!«
    Er rannte an den Kai, um die Leine zu fangen, die der Matrose der Emma Cranwell warf, noch bevor die Lücke zur Schiffswand geschlossen war. Auch ich hatte in der Vergangenheit schon oft geholfen, das Seil um den Poller zu legen. Sam Phelps schien etwas dagegen zu haben, es war einer der Gründe, warum er uns nicht am Kai sehen wollte. Diesmal ließ ich Dibs den Vortritt, ich hielt Ausschau nach meiner Cousine.
    Fünf Minuten nachdem die Emma Cranwell angelegt hatte, entdeckte ich sie. An der Gangway erschien ein wunderschönes Mädchen in einem gelben Kleid, es war mir ein Rätsel, wie sie so plötzlich dort auftauchen konnte, bis ich sah, dass sie von drei mit Koffern beladenen Schiffsjungen verdeckt worden war. Jetzt ließen sie ihr den Vortritt. Auf dem Kai stand bereits Kapitän Foster, der sich, seit er von Bord gegangen war, mit Sam Phelps unterhielt, und sah auf die Gangway hinab. Alle Augen waren auf meine Cousine gerichtet.
    Zuerst dachte ich, sie ist wunderschön, dann fand ich sie moppelig, dann verstand ich, dass ich sie mit der dürren Susan Prosser verglich.
    Kapitän Foster ging ihr entgegen, nahm sie bei der Hand und führte sie vorsichtig die Gangway hinauf. Oben legte er ihr sogar den Arm um die Schulter. Als sie auf den Kai trat, verstand ich, warum – sie trug hochhackige, weiße Schuhe. Ein Stadtmädchen, na klar.
    Bevor Dibs und Cal und ich überhaupt an sie herankamen, gab sie dem Skipper einen Kuss. »Ganz, ganz herzlichen Dank«, sagte sie leise und doch so laut, dass wir es hören konnten.
    Auch die drei Schiffsjungen, die ihre Koffer an Land gebracht hatten, bekamen jeweils einen Kuss. Und nach jedem Kuss sagte sie »Lieben Dank«.
    Dibs und Cal und ich warteten immer noch auf unsere Chance, als sie auf Sam Phelps zuging und ihn ebenfalls küsste. »Hallo, Onkel Frank«, sagte sie.
    Jetzt bin ich aber dran, dachte ich und rannte los. Ich war schneller als Dibs und Cal.

3
    Es blitzte und donnerte bereits, als ich an die Narbe auf der linken Backe des alten Mannes denken musste. Und an sein Pferd. Als der Regen einsetzte, dachte ich an alle Bewohner von Calliope Bay, an einen nach dem anderen. Und zwar, weil Caroline in einer Weise über Sam Phelps gesprochen hatte, dass ich einen ganz anderen Blick auf ihn bekommen hatte. Nun fragte ich mich, ob ich die anderen Menschen aus Calliope Bay auch neu betrachten konnte, wie ein Fremder, so wie Caroline es tat. Es gab fünf Häuser, nur noch fünf, die übrig geblieben waren aus einer Zeit, als hier viele Menschen gewohnt hatten, weil es in der Fleischfabrik viel zu tun gab. Fünf Häuser in einer Reihe, fünf Häuser und ihre Bewohner – im von der Fabrik aus gesehen ersten Haus wohnten Mr und Mrs Knowles, mit denen ich mich nicht lange aufhielt, weil sie so alt waren, dass es nicht viel ausmachte, ob sie so waren, wie ich sie immer gesehen hatte, oder halt anders. Also, selbst ihre Kinder waren schon erwachsen und längst weggezogen, und Mr und Mrs Knowles saßen ohnehin nur den ganzen Tag in der Sonne und liefen in ihrem Garten auf und ab. Manchmal riefen sie nach ihrer Katze, das war’s schon. Das nächste Haus in der Reihe war unseres, da wusste ich Bescheid, also suchte ich auch hier nicht nach etwas Neuem. Aber bei den Prossers, unseren Nachbarn auf der anderen Seite, hielt ich mich eine Weile auf. Ich dachte an die einsame Mrs Prosser und an die dürre Susan, und ich fragte mich, ob Mrs Prosser wirklich eine zufriedene Frau war, die den ganzen Tag ihrem Wellensittich vorsang, und ob Susan doch nichts gegen mich hatte, dass sie mich vielleicht nur ärgern wollte, wenn sie mir aus dem Weg ging. Ich stellte mir sogar vor, dass Susan und ihre Mutter ihre wahren

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