Sydney Bridge Upside Down
natürlich viel erzählen. Aber dein Vater? Wusste er auch nichts davon? Und dein Bruder? Auch nicht?«
»Keiner von uns hat was davon gewusst.«
»Ist ja auch egal jetzt«, sagte sie. »Wie gesagt, es war nicht so wichtig.«
Fächernd wandte sie sich dem Haus zu. Ich machte noch einen Versuch: »Übrigens, Susan«, säuselte ich.
»Ja?« Sie blieb stehen und sah mich an.
»Ich kann ihn gern für dich einwerfen«, sagte ich.
»Haha!«, rief sie.
»Dann brauchst du nicht zum Laden gehen«, sagte ich.
»Hab ich auch gar nicht vor«, sagte sie. »Morgen kommt Mr Wiggins vorbei, er kann ihn für mich einwerfen. Dir würde ich den Brief bestimmt nicht anvertrauen, für wie dumm hältst du mich eigentlich?« Ihr Ton war nun deutlich bösartiger. »Also wirklich.«
Winkend, immer noch fächernd, ging sie hinauf und verschwand im Haus.
Nun wieder zum Nachmittag des folgenden Tages, als ich bei Caroline auf dem Bett saß.
Um mich ein wenig aufzuheitern, schlug Caroline vor, mir noch eine Stelle aus ihrer Autobiographie vorzulesen. Es handelte sich dabei um einen Vorfall aus ihrer späteren Kindheit, ein Mädchen namens Penny kam darin vor, die so arm war, dass sie statt eines Kleids ein graues Armeehemd tragen musste. Penny ist sehr klein gewesen, erklärte Caroline, deshalb hat ihr das Hemd ganz gut gepasst. Außerdem war sie immer fröhlich, weshalb sie sich auch nie über ihre Armut beklagte. Ihre Eltern schien es nicht zu stören, dass sie manchmal spät abends allein durch die Stadt ging, es waren sehr grobe und laute Menschen, die immer Partys veranstalteten, bei denen viel getrunken wurde und Spiele gespielt wurden, die nichts für kleine Mädchen waren. Auf einem dieser Abendspaziergänge, erzählte Caroline, lernte Penny einen fremden Mann kennen. Dieser Fremde hatte einen großen schwarzen Bart, er trug einen langen schwarzen Mantel und eine dunkle Brille. Hier beginnt nun die Geschichte, sagte Caroline und las: »Als Penny an dem Hauseingang vorbeikam, in dem der Fremde stand, sagte er: Du bist doch viel zu jung, um zu dieser späten Stunde durch die Stadt zu laufen, was murmel murmel denn deine Eltern dazu? Aber ich habe doch meine Puppe dabei, sagte Penny. Was macht es denn für einen Unterschied, fragte der Fremde, ob du eine Puppe hast oder nicht? Meine Puppe ist eine Polizistin, sagte Penny. Als Penny mir später davon erzählte, schien sie mir sagen zu wollen, dass ich sie einmal bei ihrem Abendspaziergang begleiten könnte. Ich habe aber keine Polizeipuppe, sagte ich. Worauf Penny andeutete, dass ihre Polizistin auch nicht wirklich etwas bringen würde. Zumindest kam es ihr so vor, als sie auf den Fremden mit dem schwarzen Mantel traf, denn er versuchte gleich, sie in sein Auto zu locken und mit ihr wegzufahren. Der Fremde hatte nämlich ein großes schwarzes Auto, sagte Penny. Er sagte, es sei schön warm in dem Auto, man könne sich gut darin unterhalten. Als sie dann im Auto saßen und sich unterhielten, erwähnte Penny beiläufig, dass sie die Lichter besonders schön fand, wenn sie spät abends durch die Stadt ging. Der Fremde meinte, Lichter seien murmel murmel, und erzählte, er könne ihr einen richtigen Kronleuchter zeigen. Der Kronleuchter hängt in einem großen Haus, erklärte er. Wenn Penny und das Püppchen nichts dagegen hätten, würde er ihnen gern den Kronleuchter zeigen und in dem großen Haus ein wenig murmel murmel. Etwas kam mir sehr merkwürdig vor, als Penny diese Geschichte erzählte. Hast du nicht gerade gesagt, dass er einen großen schwarzen Bart hatte und einen langen schwarzen Mantel und eine dunkle Brille trug?, fragte ich. Ja, sagte Penny. Genau wie mein Onkel Pember, sagte ich. Das ist ja was, sagte Penny. So kam es, dass ich herausfand, dass Onkel Pember manchmal in Hauseingängen stand und interessante Menschen ansprach, die vorbeikamen. Für Penny interessierte er sich, weil sie so fröhlich war. Wenn ich an Penny denke, fällt mir immer ihr Hemd ein, und dass sie immer so gute Laune hatte. Als Onkel Pember sie dann hochhob, damit sie den Kronleuchter berühren konnte, musste sie die ganze Zeit lachen, er kitzelte sie nämlich mit seinem Bart. Komisch, sagte ich, als sie davon erzählte, ich weiß auch noch, dass mich sein Bart immer gekitzelt hat. Später in dieser Lebensgeschichte möchte ich dann erzählen, welch schockierendes Geheimnis Onkel Pember hatte und was aus ihm geworden ist. Doch an dieser Stelle, mit der ich nun schließen möchte, ging es mir
Weitere Kostenlose Bücher