Sydney Bridge Upside Down
sie es offenbar von mir erwartete.
»Ich verstehe dich nicht. Habe ich dir denn jemals vorgeworfen, dass du ein Klappergestell bist oder dass du deine Nase überall reinsteckst?«, fragte ich. »Das haben nämlich die anderen Kinder gesagt. Ich habe immer zu dir gehalten.«
»Brauchst du gar nicht«, sagte sie. »Also, ich meine, brauchst du gar nicht behaupten. Ich weiß, dass du mich nicht verteidigen würdest, selbst wenn es stimmen würde, dass die anderen Kinder so über mich reden.«
Ganz sicher schien sie sich nicht zu sein. »Frag doch mal Dibs Kelly«, sagte ich.
»Diesen kleinen Dreckskerl? Den soll ich fragen?«
Ich tat, als verstünde ich nicht. »Ich weiß nicht, warum du meinst, dass du was Besseres bist als Dibs und ich und die anderen«, sagte ich. »Nur weil du klug bist. Und weil du deine Hausaufgaben machst. Und weil du keinen Spaß haben willst. Aber heißt das, dass du was Besseres bist als wir? Das ist es, was ich nicht verstehe.«
»Das sagst du nur so«, sagte sie, »weiß ich doch. Du tust nur so, als würdest du mich nicht verstehen.«
»Ich habe doch nur versucht, ein bisschen nett zu sein«, sagte ich. Wie ich sie hasste!
»Ich frage mich manchmal, was aus solchen Typen wie dir wird, wenn sie erwachsen sind«, sagte sie. »Wie wirst du später einmal sein? Ich stelle mir einen dicken, groben Mann vor, der nur seinen Launen nachgeht. Er schert sich nicht um die Gefühle seiner Mitmenschen, und großzügig ist er nur, wenn er glaubt, dass es ihm nützt. Trotzig ist er, und nachtragend.«
»Und Dibs?«, fragte ich grinsend, »wird der auch so einer?«
»Nicht so ein schlimmer wie du«, sagte sie. »Weil er nicht so durchtrieben ist wie du. Die Durchtriebenen sind die schlimmsten, es stört sie nicht, wenn andere Menschen leiden.«
»Habe ich dir denn was getan?«, fragte ich. So langsam war es mir egal, ob sie meiner Mutter schrieb oder ob ihr sonst noch etwas einfiel, um mich zu ärgern. Ich hatte einfach keine Lust mehr, ihr zuzuhören.
»Anderen Kindern hast du was getan. Ich weiß ja, was für Spiele du am liebsten machst. Es macht dir Spaß, anderen wehzutun.«
»Meinst du Dibs?«, fragte ich.
»Selbst deinen eigenen Bruder quälst du«, sagte sie. »Ich hab gesehen, wie du ihn mit Maracujas beworfen hast.«
»Das war doch nur Spaß«, sagte ich, »das macht ihm gar nichts aus.«
»Ich hab aber gehört, wie er geweint hat«, sagte sie.
»Kinder heulen nun mal«, sagte ich. »Die Kellykinder heulen die ganze Zeit, und das hat bestimmt nichts mit mir zu tun. Was kann ich dafür, dass sie immer heulen. Ich weiß wirklich nicht, was das alles soll, ehrlich nicht.«
»Haha«, lachte sie.
Beim ersten Mal fand ich es noch nicht so schlimm, aber jetzt ärgerte mich dieses Haha sehr. Sie provozierte mich, damit ich sie schlug, sie wollte, dass ich Ärger bekam. Vielleicht rechnete sie damit, dass es mir heute noch mehr Ärger einbringen würde als sonst, weil Papa zu Hause war. Vielleicht hoffte sie sogar, dass er die Peitsche rausholte, daran hätte sie bestimmt ihre Freude.
Aber es gab ja Möglichkeiten, ihr wehzutun, ohne sie zu verprügeln. Sie konnte sich auf einiges gefasst machen!
Meine Sorge war nur, dass es sie so sehr treffen würde, dass sie meiner Mutter ganz bestimmt schreiben würde. Wenn ich dagegen freundlich blieb, hatte ich zumindest noch eine Chance. Sollte sie mich ruhig durchschauen!
»Eine Sache verstehst du nicht, Susan«, sagte ich. »Es ist ganz normal, dass Kinder in einer Familie sich mal streiten, das bedeutet aber nicht, dass sie sich hassen. Also Cal zum Beispiel, der geht mir manchmal auf die Nerven. Er wühlt in meiner Schublade, er fasste meine Zigarettenkarten an, solche Sachen halt. Er weiß, dass es Sammlerstücke sind und dass ich es nicht mag, wenn jemand drangeht. Es sei denn, ich habe es ausdrücklich erlaubt.«
»Wovon redest du eigentlich?«, fragte Susan. »Warum erzählst du mir von deinen dämlichen Karten?«
»Ich versuche dir zu erklären, warum Cal sich manchmal eine fängt«, sagte ich. »Wenn er mich nicht fragt, bevor er die Karten anfasst, fängt er sich halt eine. Das heißt aber nicht, dass ich ihn hasse.«
»Ich weiß, das ist einfach deine fiese Art«, sagte sie.
Ich kam so nicht weiter. »Du hast keine Geschwister«, sagte ich, »du kennst dich mit solchen Sachen halt nicht aus.«
»Oje!«, sagte Susan Prosser, »jetzt kommst du mit solchen Ausreden. Als Nächstes erzählst du mir noch, dass Dibs Kelly auch ein
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