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Sydney Bridge Upside Down

Sydney Bridge Upside Down

Titel: Sydney Bridge Upside Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ballantyne
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bestimmt, dass sein Verhalten normal ist«, sagte sie. Ihre eine Hand steckte merkwürdig verkrampft in der Tasche ihrer Strickjacke. »Du glaubst ja auch, dass es ein normaler Wunsch ist, die Briefe anderer Leute zu lesen.«
    In der Tasche muss der Brief stecken, dachte ich. Ich sah mir die Ziegelsteine an. Warum hatten wir sie nicht zur Höhle raufgeschleppt?
    »Ich will aber deinen Brief überhaupt nicht lesen«, sagte ich und lachte. »Susan, ich habe an Dibs gedacht, ich meine, da haben ja auch schon andere runtergepinkelt, Dibs ist doch nicht der Erste. Papa hat einmal von einem Mädchen erzählt, das –«
    Susan stand auf.
    »Er hat sie nebenan gesehen«, sagte ich und stand ebenfalls auf. »Papa hat vielleicht gestaunt! Sie hat es hinter dem Gestrüpp gemacht, kannst du dir das vorstellen, Susan?«
    Sie sah mich scharf an.
    »Es war wirklich erstaunlich«, sagte ich, »beinahe so erstaunlich wie der Anblick desselben Mädchens, als sie zu Mr Wiggins in den Wagen stieg. Ich frage mich, was sie wohl mit Mr Wiggins gemacht hat.«
    »Ach ja, du spielst bestimmt auf das eine Mal an, als er mich zum Zahnarzt nach Bonnie Brae gebracht hat«, sagte sie. Es reichte wohl nicht, ich musste sie noch trauriger machen.
    »Ach, du warst das damals hinter den Sträuchern!«, sagte ich. »Du warst es also, über die Papa mit Mutter geredet hat. Das habe ich mich nämlich die ganze Zeit gefragt …«
    »Warum denkst du dir eigentlich solche Lügen aus?«, fragte sie, sie wirkte überhaupt nicht unruhig.
    »Er hat dich aber gesehen.«
    »Klar hat er das, aber das wusstest du doch längst. Es stimmt gar nicht, dass du dich gefragt hast, ob ich es war. Warum behauptest du es dann?«
    Mir fiel auf einmal nichts mehr ein. Was sollte ich dazu sagen? Wenn sie noch nicht einmal jetzt traurig war …?
    »Ich mache dir ja gar keinen Vorwurf, Harry«, sagte sie mit einem Seufzen, »ich weiß ja, warum du lügen musst. Ich weiß, wen du die ganze Zeit beschützt, du brauchst dich nicht zu verteidigen.« Ich suchte den Sarkasmus in ihrer Stimme, das Strenge, was sie manchmal hatte. Aber ich fand es nicht. Sie klang beinahe freundschaftlich.
    Ich ließ den Kopf hängen. »Susan, es tut mir wirklich leid. Ich wollte dich nur ein bisschen traurig machen, mir ist eigentlich egal, was du getan hast. Du warst ja damals noch ganz klein, wahrscheinlich hattest du es eilig. Es tut mir wirklich leid.«
    »Ich hab mir schon gedacht, dass du nur versucht hast, mich traurig zu machen«, sagte sie. »Aber so schaffst du das nicht, die Sache ist einfach zu lange her.«
    »Ich weiß schon, Susan, ich möchte mich bei dir entschuldigen.«
    »Du meinst es wirklich ernst, nicht?«, sagte sie. »Dann nehme ich deine Entschuldigung an.«
    »Danke, Susan«, sagte ich und ließ meinen Blick über das Gelände schweifen. »Also dann – ich glaube, ich hole noch die Pistole und gehe dann heim.« Ich ging die Stufen hinauf ins Gebäude.
    »Welche Pistole?«
    Ich blieb stehen. »Nur eine alte Pistole, die wir gefunden haben, wir haben sie oben versteckt. Ich nehme sie lieber mit, bevor die Kleinen sie finden.« Ich ging quer durch den Raum zur Treppe.
    »Funktioniert sie denn?«, rief sie mir hinterher.
    »Nein, sie ist kaputt«, antwortete ich.
    »Wo habt ihr sie gefunden?«, rief sie.
    »In einem der Räume oben. Sie liegt oben im zweiten Stock. Ich hole sie nur gerade, dann gehe ich nach Hause.« Ich ging einfach weiter.
    Auch ohne mich umzusehen, wusste ich, dass sie mir folgte. Das ganze Gebäude hallte von ihren Schritten.
    Jetzt erzähle ich noch einmal von dem Nachmittag des folgenden Tages. Ich war wieder in Carolines Zimmer.
    Wir waren gerade von draußen gekommen, die Wäsche, die schon trocken war, hatten wir hereingeholt. Wir aßen zu Mittag (Cal war noch immer unauffindbar), dann kehrten wir in Carolines Zimmer zurück. Caroline war plötzlich sehr bleich geworden, es war besser, wenn sie sich noch einmal hinlegte.
    Diesmal schob sie nicht den Pulli hoch, zum Glück, weil uns sonst Dibs Kelly gesehen hätte, als er die Maracuja ins Zimmer warf.
    »Hey, Harry!«, rief er und warf eine zweite Frucht hinterher, der ich nicht mehr ausweichen konnte. »Komm mal raus! Susan Prosser ist tot! Sam Phelps hat sie im Schlachthof gefunden!«
    Caroline sprang aus dem Bett. Sie rannte zur Tür, drehte sich nach mir um und sagte: »Ich wusste doch, dass etwas passiert ist, heute Nacht hat jemand ihren Namen gerufen, gerade als ich eingeschlafen

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