Sydney Bridge Upside Down
mit Cal und Dibs und Bruce Norman unten am Hafen. Bruce Norman, der gar nicht so übel war, war vollauf damit beschäftigt, die Dinge in Calliope Bay zu erkunden, die wir in all den Jahren immer für selbstverständlich gehalten hatten. Vor allem hatte er es darauf abgesehen, Sam Phelps über Sydney Bridge Upside Down auszufragen. Pferde hätten ihn immer schon interessiert, erklärte er, er wollte mehr über den Klepper des Alten in Erfahrung bringen. Nur leider hatte sein Vater ihn vor Sam Phelps gewarnt, Bruce durfte nicht einmal in seine Nähe gehen. Da sein Vaters vollkommen ausrastete, wenn er wütend war, traute er sich nicht, das Verbot zu missachten. Nur wenn absolut ausgeschlossen wäre, dass sein Vater etwas herausfinde, so Bruce, würde er es wagen. Ich erklärte, dass in dem Fall der Sonntag am günstigsten sei, denn Sam Phelps sei unter der Woche immer sehr beschäftigt. Am Sonntag waren die Nachmittagsstunden am günstigsten, denn der fette Norman, so hatte Bruce erzählt, hatte die Angewohnheit, nach einem gigantischen Mittagessen zwei Stunden zu schlafen. Bruce fand den Plan gut. Nachdem er seinen Teil des riesigen Mittagessens verdrückt hatte, kam er zu uns; Dibs, Cal und ich warteten schon an der Fabrik. Wir zeigten ihm den Weg zum Strand und führte ihn über die Felsen zum Hafen. Er fand die komische Treppe toll und ärgerte sich über uns, weil wir nicht im Stande waren zu erklären, was es mit den verkehrten Stufen auf sich hatte. Er war zwar fett und bei einer ordentlichen Schlägerei nicht zu gebrauchen, was ihn aber interessant machte, war, dass er sich trotzdem traute, älteren Kindern die Meinung zu sagen. Außerdem ließ er sich gern auf alle möglichen Späße ein, obwohl er offenbar ziemlich schlau war. Im Gegensatz zu Susan Prosser tat er nicht, als wäre er was Besseres, und er war auch kein Petzer. Wir hatten also nichts dagegen, ihn zum Hafen mitzunehmen, ganz im Gegenteil, es war schön, die Orte, die wir so gut kannten – den Strand, die Felsen, den Hafen – mit jemandem zu erkunden, für den alles neu war. Denn so fühlte sich auch für mich alles neu an, es war, als würde ich alles noch einmal entdecken, wie anfangs mit Caroline.
Die Sonne schien, am Hafen war alles still. »Sam Phelps hält bestimmt gerade sein Mittagsschläfchen«, sagte ich, »auch wenn er sicher nicht so viel gegessen hat wie dein Vater, Bruce. Der alte Phelps ist nämlich spindeldürr.«
»Und sein Pferd auch«, sagte Dibs. »Hast du dir Sydney Bridge Upside Down schon einmal genauer angesehen, Bruce?«
»Ich hab ihn bisher nur von weitem gesehen«, antwortete er, »er war vor diese Transportlore gespannt, eine ziemlich große Lore für so ein altes Pferd, finde ich. Ich würde Mr Phelps gern zu diesem Punkt befragen, ich frage mich, ob da nicht Tierquälerei im Spiel ist.«
»Werd aber nicht zu frech«, sagte ich, »sonst sagt er es vielleicht deinem Vater.«
»Dem fetten Norman sollte er nicht zu nah kommen«, sagte Bruce. »Ich nehme deinen Rat trotzdem gern an. Außerdem wird er schon seinen Grund haben, warum er den Klepper so einspannt.«
»Sydney Bridge Upside Down ist vielleicht gar nicht so steinalt, wie er aussieht«, sagte ich, »er schwitzt nicht besonders, wenn er den Wagen zieht. Ich weiß noch, wie Sam Phelps Caroline erlaubt hatte, auf ihm zu reiten. Er hat es gut überstanden, als sie aufgesessen ist – zumindest hat er sich nichts gebrochen.«
»Wie findest du eigentlich Caroline?«, fragte Dibs. Er sah Bruce an.
Ich blieb stehen. Wir waren schon fast am Ende der Mole, es war Bruce gewesen, der die Richtung vorgegeben hatte. Wir waren ihm einfach gefolgt, er hatte wohl Lust, vor dem Gespräch mit Phelps ein wenig in der Sonne zu spazieren.
Die anderen blieben auch stehen. Nur Dibs sah mich an.
»Da müsste ich mich erst einmal mit ihr unterhalten«, sagte Bruce. »Warum fragst du? Gibt es was, das du mir erzählen willst?«
»Nein, ich hab nur so gefragt«, sagte Dibs. »Also, du hast ja wohl mehr ältere Mädchen in deinem Leben gesehen als wir, ich frage mich halt, ob du sie hübscher findest als andere ältere Mädchen, die du gesehen hast.«
Bruce zuckte die Achseln. »Mädchen interessieren mich nicht besonders, egal, wie alt sie sind.«
Dibs sah mich an, er grinste, als hätte er mich besiegt. »Mir geht’s genauso«, sagte er zu Bruce, »wer sich für Mädchen interessiert, ist ein Schwächling. Mädchen bringen nichts, stimmt’s?«
Bruce antwortete nicht,
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