Sydney Bridge Upside Down
dann, du kannst jetzt gehen«, sagte er und drehte mir den Rücken zu.
Komischer Typ, dachte ich und ging auf den Schulhof. Wenn er es wagt, Papa oder Mr Kelly wirklich solche Fragen über Sam Phelps zu stellen, verprügeln sie ihn bestimmt. Wie kann er sich nur herausnehmen, einem freundlichen, alten Mann etwas Böses zu unterstellen?
Ich muss die anderen unbedingt vor dem fetten Norman warnen, dachte ich.
Cal und Dibs waren schon weg. Ich konnte sie aber einholen, Dibs wollte bestimmt noch nach Hause, um ein Butterbrot zu essen. Es war ganz gut so, ich brauchte ohnehin etwas Ruhe, es gab da etwas, was ich mir genau, sehr genau überlegen musste. Ich beschloss, nicht zu laufen, sondern zu gehen.
Ich war noch nicht weit gekommen, da hörte ich, wie Buster seine Indian anwarf. Kurz darauf kam er angebraust. Er fuhr in Richtung Furt.
Ich gab ihm ein Zeichen, er blieb stehen. Der Motor der Indian machte mächtig Lärm.
»Was machst’n du hier, Buster«, rief ich, »ich wusste gar nicht, dass du hier bist.« Es war seit der Kirmes schon sein zweiter Überraschungsbesuch in Calliope Bay, erst am Sonntag hatte er Caroline kennengelernt. Es sah aus, als hätte er sich prächtig mit ihr und Papa unterhalten.
»Ich musste was abholen«, sagte er, »ein paar Teile. Und deiner Cousine habe ich ein Telegramm mitgebracht, es lag im Laden, seit gestern, je eher sie es bekommt, hab ich mir gedacht, desto besser.«
»Was stand denn drin, Buster?«, fragte ich besorgt. »Hat sie was gesagt? Schlechte Nachrichten?«
»Nicht, dass ich wüsste. Caroline war nicht gerade unglücklich, als sie es gelesen hat.«
»Dann ist ja gut.« Buster hatte die Ärmel hochgekrempelt, seine Arme und Hände waren kräftig und voller Sommersprossen.
»Was hast du gesagt?«, rief er in den Motorenlärm hinein.
»Ist gut, dass es keine Probleme gab wegen dem Telegramm!«, schrie ich. Busters kräftige, etwas schmutzige Finger spielten auf dem Lenker. Ich trat näher an das Motorrad: »Kann ich dich was fragen, Buster?«
»Was gibt’s denn, Harry?« Buster war in Ordnung, mit ihm ließ sich reden.
»Ich bin zu dürr, Buster, das geht mir auf die Nerven. Kannst du mir einen Tipp geben, wie ich Muskeln aufbauen kann?«
Er lachte. »Quatsch, Harry, du bist doch nicht zu dürr, sei froh, dass du nicht so ein Fettsack bist!«
»Ich will ja nicht fett sein«, sagte ich, »aber ein bisschen stärker, weißt du?«
»Willst du etwa mit Boxen anfangen?«, fragte er und täuschte einen linken Haken an. »Du lässt dich wohl nicht aus der Ruhe bringen was? Warum bist du nicht ausgewichen?«
»Du wolltest mich ja gar nicht treffen, Buster«, sagte ich, »ich hab die Faust kommen sehen, das schon, und ich weiß auch, wie ich mich wegducken kann. Ich wollte halt nur nicht, verstehst du?«
»Harry, du wärst bestimmt ein guter Boxer.« Er gab mir einen spielerischen Stoß gegen die Brust. »Gegen wen würdest du denn am liebsten kämpfen?«, fragte er. »Gegen meinen alten Kumpel Kid Savage?«
»Also, nee, eigentlich will ich nicht boxen«, sagte ich, »ich will nur etwas stärker werden. Fühl mal.« Ich spannte den Oberarm. »Was meinst du? Nicht so toll, oder?«
»Hey, gar nicht so schlecht«, rief Buster, »da kann ein Bizeps draus werden, nur im Moment fühlt es sich eher an wie eine Erdnuss.« Er lachte. »Aber mal im Ernst, in deinem Alter ist das normal, ganz natürlich.«
»Ich will nur ein bisschen kräftiger werden, das ist alles.«
Er sah mich nachdenklich an. »Was ist mit Liegestützen? Machst du Liegestützen?«
»Nein«, antwortete ich, »meinst du, die würden was bringen?«
»Ich glaub schon. Wenn du fünfundzwanzig Liegestützen am Tag machst, kriegst du bestimmt kräftigere Arme. Aber ehrlich, Junge, mach dir mal nicht so viele Gedanken, in deinem Alter. Als ich so alt war, war ich auch nicht stärker.« Mit einem Grinsen fügte er hinzu: »Ich hab hart dafür gearbeitet, dass ich so eine, sagen wir mal, schnittige Figur habe!«
»Danke, Buster«, sagte ich, »ich versuche das mit den Liegestützen. Fünfundzwanzig am Tag. Mal sehen, wie das läuft.«
»Übertreib’s aber nicht«, sagte er und ließ die Maschine aufheulen, er musste los. »Übertreib es nicht, sonst tust du dir weh!«
Ich trat einen Schritt zurück. »Wird schon gutgehen, Buster. Wann kommst du denn wieder?«
»Vielleicht am Wochenende«, rief er, »mal sehen, wie es bei der Arbeit läuft. Ciao!« Er winkte, die Maschine jaulte, er war schon unterwegs
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