Symbiose (Schicksal)
meine Aufgabe zu leiden, nicht ihre. Es war meine Schuld, dass dieser Unfall passiert war. Ich war egoistisch gewesen und war auf ein Date gegangen. Also warum sollte sie dann die Last dafür tragen? Zuerst war Lucia abweisend. Sie sprach nur in Einwortsätzen. Doch nachdem ich ihr erzählte, dass ich wirklich daran dachte, aufs College zu gehen, begannen wir beide ein bisschen davon zu träumen. Es war für einen Moment so, als könnten wir diesem Alptraum eine kurze Zeit entfliehen. Mein Blick war zwar die meiste Zeit auf Fabienne gerichtet, aber es tat in dieser kleinen Sekunde nicht so weh. Der Gedanke, dass sie vielleicht sterben könnte und ich dann alleine auf der Welt war, durchkreuzte aber dann schließlich meine Gedanken wieder. Diese Schläuche, die überall aus ihrem kleinen Körper kamen, hielten sie momentan am Leben und schließlich gab ich auf, an etwas anderes zu denken. Ich wollte sie so gerne berühren, ihr die Hand streicheln. Ihr sagen, wie sehr ich sie liebte und dass mir alles so leid tat. Doch ich durfte nicht. Eine dicke Glaswand war zwischen uns. Ich berührte kurz die Scheibe und ich hätte schwören können, dass sie es gemerkt hat. Denn ihr Körper zuckte kurz. Noch bevor ich es Lucia zeigen konnte lag sie auch schon wieder regungslos da.
Nach ein paar Sekunden in meiner dunklen Welt sah ich wieder zu Lucia. Sie hatte ihr Handy in der Hand und suchte irgendwas.
„Yale wäre eine Option für uns, weißt du.“
Ich musste kurz schlucken um ihr überhaupt eine Antwort geben zu können. Ich zwang mich zu einem Lächeln „Ja, Yale wäre eine Option für uns beide oder vielleicht Harvard.“ Der Gedanke war eigentlich lächerlich. Keiner von uns wusste , wie diese Geschichte hier enden würde. Und ich war mir sicher, dass ich nicht lange hier alleine bleiben würde. Ich würde Fabienne folgen, wenn sie sterben würde. Doch Lucia schien es aufzuheitern, also spielte ich mit. „Wenn Fabienne wieder auf den Beinen ist schmuggeln wie sie in den Unterricht. Sie ist eh viel schlauer als die anderen.“ Lucia lachte kurz über ihre Bemerkung. Und auch ich musste kurz lachen, ein ehrliches Lachen.
Denn die Vorstellung, dass Fabienne mit uns zusammen im Unterricht sitzen würde und über die Geschichte Amerikas diskutiert fand ich auch witzig. Gerade als wir dabei waren uns zu überlegen, was wohl Fabiennes Lieblingsfach wäre, kam die Schwester, die sich bereits als Schwester Maria vorgestellt hatte, vorbei. Sie sagte uns, dass ihre Schicht zwar nun zu Ende war. Aber dass sie gleich nochmal kommen würde, um uns etwas zum Essen zu bringen.
Keiner von uns hatte ans Essen gedacht. Ich hatte nicht einmal Hunger gehabt, bis Maria davon anfing. Dankbar nahmen wir an und sagten ihr, was wir gerne aßen. Es musste etwas Fettiges sein, irgendein Junke Food, das wir mit den Fingern essen konnten. Lucia sah mich kurz verwirrt an. Sie wusste, dass ich so was eigentlich nicht mochte. Doch in diesem Augenblick brauchte ich es einfach. Bekanntlich macht einem so ein Essen für kurze Zeit glücklicher.
Sie verschwand mit dem Versprechen, uns das fettigste Essen aus Eugene mitzubringen.
Nachdem Schwester Maria nochmal gekommen war und wir satt waren, wurden meine Augen plötzlich so schwer. Mit dem Gedanken, dass Fabienne bald wieder bei uns sitzen würde, schlief ich ein.
Ich schlief unruhig und als ich aufwachte sah ich Lucia nicht mehr. Erschrocken darüber stand ich auf um nach ihr zu sehen. Im Nachhinein war es so dumm. Sie hätte auch nur auf dem Klo sein können. Doch ich hatte plötzlich diese Verlustängste in mir, die mich antrieben, nach ihr zu suchen. Noch ein kleiner Blick auf Fabienne und dann ging ich durch die Gänge. Es dauerte nicht lange, bis ich sie hörte. Gerade als ich sie anschreien wollte, wo sie denn gewesen sei, hörte ich noch eine Stimme. Es war Logans Bruder Seth, da war ich mir sicher. Ich sah um die Ecke, sodass die beiden mich nicht sehen konnten. Sie saßen auf einer der Bänke. Seth hatte seinen Arm um ihre Schulter gelegt. Lucia weinte. Innerlich schämte ich mich zutiefst. Ich wollte die beiden nicht stören. Sie sahen so vertraut miteinander aus. Aber ich konnte auch nicht einfach weggehen.
„Es ging alles so schnell. Ich verstehe es immer noch nicht.“
„Mach dir keinen Stress, es war doch nicht deine Schuld. Außerdem wird die Kleine schon wieder. Ich bin mir sicher.“ Diese Zuversicht erinnerte mich an Logan. Kaum zu glauben, dass sie eigentlich böse
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