Symphonie der Herzen
Abend tretet Ihr dann selbst auf. Na, wie klingt das?«
»In Ordnung ... sehr schön«, stammelte Lu. »Mittwoch wäre wahrscheinlich in der Tat am besten.«
Abercorn warf einen Blick auf den zierlichen roten Sonnenschirm, den Louisa noch immer umklammerte, als ob daran ihr Leben hinge. »Warum legt Ihr den nicht endlich einmal beiseite«, forderte er sie auf, »und setzt Euch noch für einen Moment zu mir?«
In diesem Augenblick wurde auch Louisa bewusst, wie lächerlich sie wohl gerade aussehen musste, und sie versuchte, ihre Verlegenheit mit einem kleinen Witz zu überspielen: »Ihr wollt mich wohl meiner Waffe berauben, wie?«
»Eure Waffen sind verglichen mit meinen Überredungskünsten sowieso wirkungslos«, konterte James mit süffisantem Grinsen und stellte lässig eine bauchige Weinflasche vom Vorabend ins Regal zurück.
Wenn das so ist, dann könnt Ihr mich ja eigentlich auch gleich in Euer Schlafgemach zerren!, schimpfte Lu im Stillen. Ihr unersättlicher arroganter Ire! Allerdings traute sie sich nicht, dies auch laut auszusprechen, aus Angst, dass dann aus ihrem Auftritt vielleicht doch nichts mehr werden würde. Und so schluckte sie einmal, ehe sie mit süßlicher Stimme entgegnete: »Ich nehme mal an, das heißt, Ihr wollt mich betrunken machen?«
»Ganz sicher nicht. Wein werdet Ihr von mir jedenfalls nicht
bekommen. Aber wenn Ihr vielleicht noch auf einen Tee bleiben
wollt?«
»Natürlich. Gerne.« Lu war ein wenig verlegen, gab sich aber nach wie vor höchst nonchalant und setzte sich. »Zumal wir bei der Gelegenheit auch gleich noch eine andere Sache klären könnten.« Herausfordernd schaute sie Abercorn an, verzweifelt darum bemüht, mit ihrer koketten Bemerkung wieder die Oberhand zu gewinnen.
»Ach, ja?«, erwiderte James verblüfft. »Und welche >andere Sache< wäre das?«
»Nun, da Phineas wie Ihr ein Ire ist, möchte ich doch bezweifeln, ob er imstande ist, einen echten englischen Tee zuzubereiten.«
Sofort wies James seinen Diener an, besagten Tee aufzusetzen, woraufhin dieser wenig später auch schon mit einem zierlichen kleinen Servierwagen zurückkehrte, während um seine Lippen ein selbstzufriedenes Grinsen spielte. Über den einen Arm hatte er sich eine gut gestärkte weiße Leinenserviette gelegt, während auf einem kostbaren Silbertablett verschiedene winzige Sandwiches warteten
- einige mit Brunnenkresse belegt, andere mit hauchfein geschnittenen Gürkchen - sowie diverse köstliche Petit Fours. Dazu gab es natürlich den gewünschten Tee.
Vorsichtig stellte Phineas gleich neben Lu ein kleines Tischchen auf, komplett mit edler Damastserviette, einem zarten Porzellanteller, einem winzigen Sahnekännchen und natürlich der obligatorischen Zuckerdose. Anschließend goss er ihr den dampfenden, duftenden Tee ein und reichte ihr die feine Porzellantasse samt passender Untertasse. Das Ganze ging ohne ein einziges Wort vor sich. Erst ganz zum Schluss fragte er: »Darf ich Euch vielleicht sonst noch etwas bringen, Mylady?«
»Nein. Vielen Dank, Phineas.« Ein dezenter Blick auf das Service verriet Lu, dass es sich dabei um das sündhaft teure Spode -Porzellan handelte; um den Rand herum verlief eine kräftige weinrote Girlande, geschmückt mit einem zarten goldenen Band, sodass Louisa am
Ende der kleinen Zeremonie ehrlich beeindruckt war - und zwar nicht nur von dem edlen Porzellan, sondern auch von dem Mann, der diesen echt-englischen Teegenuss kredenzt hatte.
Schließlich, nachdem Phineas sich wieder zurückgezogen hatte, erlaubte auch James sich ein Grinsen. »Ich sage nur eines: Unterschätzt die Iren nicht.«
Louisa hatte gerade die Tasse an ihre Lippen gehoben und schaute Abercorn nun mit funkelndem Blick über den Rand hinweg an, während sie eingestand: »Seid gewiss, das nächste Mal, wenn ich mich mit einem Iren anlege, werde ich besser vorbereitet sein.« Dann aber wechselte sie rasch das Thema - es sollte schließlich nicht schon beim Tee allzu persönlich werden - und wandte sich dem Reformvorhaben ihres Bruders Johnny zu.
»Ja, Lord John hat das Potenzial, es noch sehr weit zu bringen«, stimmte James ihren Ausführungen vorbehaltlos zu.
Auch Louisa nickte. »Vater hofft, dass er eines Tages vielleicht sogar ins Kabinett berufen wird. Premierminister Grey hat jedenfalls schon zugestimmt, ihn zu den Kabinettssitzungen hinzuzuladen, das heißt, wenn es so weit ist, dass man sich dort über die geplante Gesetzesreform berät.«
»Ich kann die hehren Hoffnungen
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