Symphonie der Herzen
barg stets ein enormes Risiko. Wie leicht konnte es passieren, dass man eine Fehlgeburt erlitt, dass das Kind tot zur Welt kam!
Heute Nacht hat mich das Schicksal noch einmal gerettet, überlegte sie. Wäre es jedoch anders gelaufen und ich hätte Abercorn erlaubt, mich zu lieben, dann hätte ich schon von diesem einen Mal schwanger werden können! Abrupt sprang sie aus ihrem Bett auf und entzündete die Petroleumlampe auf ihrem Nachttisch. Ein kurzer Blick auf Georgys Bett verriet ihr, dass diese noch nicht wieder zu Hause war, und so nahm sie rasch den kleinen Schlüssel zu dem Geheimfach in ihrem Schreibtisch zur Hand und zog ihr Tagebuch heraus. Anschließend tunkte sie einmal ihre Schreibfeder in das Tintenfass und begann zu schreiben:
Heute Nacht hatte ich wieder diesen Albtraum! Diesen Traum, den ich schon so oft gehabt habe und in dem ich von oben bis unten mit Blut besudelt bin. Wie immer begann der Traum ganz normal. Ich war wieder im Garten und hatte Lupinen gepflückt. Und eigentlich hatte ja Mutter die Fehlgeburt erlitten, aber in letzter Zeit träume ich immer öfter, dass ich diejenige bin, die ihr Kind viel zu früh und tot zur Welt bringt. Irgendwann habe ich dann begriffen, dass es wohl Abercorns Antrag gewesen sein muss, weshalb ich ausgerechnet heute wieder diesen Traum hatte. Ich habe einfach eine unbeschreibliche Angst vor der Ehe und vor allem, was mit einer Ehe eben einhergeht!
Nachdem Louisa ihre Gefühle zu Papier gebracht hatte, ließ ihre Angst wieder ein wenig nach, und der Traum verblasste. Stattdessen dachte sie an ihre Erlebnisse im Covent Garden Theatre zurück. Heute habe ich mir den Traum meines Lebens erfüllt! Bei diesem Gedanken verzogen sich ihre Mundwinkel zu einem kleinen Lächeln. Am besten, überlegte sie, ich halte alles das, was ich auf der Bühne erlebt habe, den Tanz und Gesang, einmal schriftlich fest. Ich möchte einfach noch einmal dieses herrliche Gefühl erleben, das ich spürte, als ich im Covent Garden Theatre aufgetreten bin. Und niemals will ich diese Euphorie vergessen, die mich erfüllt hat, als das Publikum applaudierte! Abermals tauchte sie die Feder in das Tintenfass und hielt ihre Erlebnisse fest, und als sie fertig war, hatte sie das Gefühl, noch einmal genau die Magie zu spüren, die sie einige Stunden zuvor im Theater erlebt hatte. Abermals begann ihr Herz hektisch zu pochen vor lauter Glückseligkeit. Sorgsam verstaute Louisa ihr Tagebuch wieder in seinem Geheimfach und begann zu tanzen.
Eine Woche später kehrten der Herzog und die Herzogin von Bedford endlich wieder nach Belgrave Square zurück.
»Rachel war eine wirklich tapfere kleine Patientin«, lobte Georgina ihre Jüngste. »Alexander hingegen hat sich benommen wie ein
Wilder. Sämtliche Pusteln hat er sich aufgekratzt, und dann wollte er noch nicht einmal seine Medizin nehmen! Sogar, als der Doktor persönlich ihn zurechtwies, widersetzte er sich noch dessen Anweisungen. Das Ende vom Lied ist, dass Alexander nun darauf besteht, später ebenfalls Arzt zu werden - damit er dann die Anweisungen geben kann, wie ich vermute.«
»Du dagegen bist eine wahrhaft aufopferungsvolle Krankenschwester«, erklärte John Russell. »Du besitzt mehr Geduld als jede andere Frau in London.«
Kein Wunder!, grollte Louisa im Stillen. Bei den vielen Kindern hat sie ja auch jede Menge Erfahrung. »Wie schön, dass nun alle wieder gesund sind«, seufzte sie.
»Und? Hat sich hier irgendetwas Interessantes ergeben, während wir fort waren?« Neugierig schaute Georgina ihre beiden Töchter an.
Wie aufs Stichwort breitete sich über Georgys Lippen ein verschmitztes Grinsen. Allerdings zierte sie sich noch immer, Namen zu nennen, und entgegnete bloß mit hochmütiger Miene: »Es würde mich nicht wundern, wenn Vater in naher Zukunft Besuch von einem gewissen adligen jungen Herrn bekommt, der mir schon seit geraumer Zeit den Hof macht.«
Höchst zufrieden musterte Georgina ihre Älteste und fragte ähnlich kryptisch: »Dann darf ich das wohl so verstehen, dass, wenn dein Vater diesen gewissen Besucher empfängt und der um deine Hand anhalten sollte, du dann gewiss möchtest, dass Vater dem Gesuch zustimmt?«
»Ja! Ja! Unbedingt!«, schrie Georgy. »Natürlich!«
Misstrauisch musterte Georgina Louisa. »Und was ist mit dir? Was ist, wenn demnächst ein gewisser Herr auch um deine Hand anhält? Soll Vater dann auch diesen jungen Mann als zukünftigen Schwiegersohn willkommen heißen?«
»Nein. Auf gar keinen
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