Symphonie der Herzen
wäre ja schon ein echter Kracher, wenn ausgerechnet der König und die Königin ins Wasser fielen.«
»Charles, du bist doch nun bei der Marine«, warnte Lu ihn. »Da würde ich an deiner Stelle besser keine Scherze über sinkende Boote machen.« Plötzlich fiel ihr ein, dass sie ja noch gar nicht gefrühstückt hatten.
»Dafür haben wir jetzt sowieso keine Zeit mehr«, winkte ihr Bruder ab. »Außerdem gibt es dort an allen Ecken und Enden Buden mit Speisen und Getränken.«
Teddy und George wanderten bereits voller Ungeduld im Innenhof auf und ab, als endlich ihr Freund Charles und dessen beide Schwestern zu ihnen stießen. Zudem hatte George, als der Sohn des Premierministers, einen der Kutscher von Windsor Castle dazu überreden können, sie in einem der königlichen Zweispänner nach Mortlake zu kutschieren.
Auf der Chiswick Bridge verließen sie ihr Gefährt, woraufhin Georgy sich prompt bei George Grey unterhakte. Mürrisch fragte Lu sich, wem ihre Schwester eigentlich noch etwas vormachen wollte? Es hatten doch schließlich alle mitbekommen, dass sie die halbe Nacht mit Teddy Fox verbracht hatte. Doch weiter kam sie mit ihren Überlegungen nicht, denn prompt bot Teddy mit galanter Geste Lu seinen Arm an. »Teddy, entschuldigt, wenn ich frage«, entgegnete sie leichthin, »aber meint Ihr nicht, ich bin die falsche Russell?«
»Aber, Lady Louisa«, erwiderte Teddy und küsste ihre Hand. »Ihr wisst doch hoffentlich, wie ich für Euch empfinde.«
Lu aber wandte nur missmutig den Blick ab - und schwieg.
Die ersten Zuschauer waren bereits eingetroffen und suchten eifrig nach dem besten Platz, während es Charles, George und Teddy als Erstes zu einem der mobilen kleinen Wettbüros zog. Ganz der junge Kavalier, bot Teddy den Schwestern an, auch für sie eine Wette zu platzieren, doch als Louisa auf Oxford setzen wollte, versuchte er sie empört umzustimmen.
Lu schwankte für einen Moment, wessen Rat sie nun folgen sollte, dann aber blitzte vor ihrem geistigen Auge plötzlich Abercorns athletische Gestalt auf, und sie schüttelte entschieden den Kopf. »Niemals.«
»Ich dagegen schließe mich gerne Eurem überlegeneren Urteil an, Lord Fox«, zwitscherte Georgy etwas übertrieben.
Nachdem die drei Herren ihre Wetten platziert hatten, kehrten sie mit einer kleinen Zwischenmahlzeit zurück. Als Erstes genoss jeder ein klebrig-süßes Brötchen mit viel Zuckerguss, darauf folgten einige winzige Fleischpasteten mit Erbsen, um zum Abschluss von einer guten Portion Esskastanien gekrönt zu werden. Zudem hatte die in Mortlake angesiedelte Stag Brewery, die unter anderem sogar die königliche Armee belieferte, einige Fässer ihres selbst gebrauten Bieres spendiert, das nun großzügig an die fröhliche Schar der Gäste ausgeschenkt wurde.
Doch auch die Bandwarenhändler hatten an diesem Tage reichlich zu tun und verkauften Rosetten in den Farben der rivalisierenden Universitäten: weiße für Cambridge und blaue für Oxford. Charles, George und Louisa trugen natürlich Blau, Teddy und Georgy dagegen hatten sich für Weiß entschieden; den Vorwurf der anderen, Verräter zu sein, ignorierten sie gezielt.
Derweil unterhielten Pantominekünstler, Akrobaten und junge Burschen auf Stelzen die Menge für ein paar Pennys mit ihren Kunststückchen. Überhaupt schien die Zeit rasend schnell zu vergehen, und alle genossen die fröhlich-feierliche Atmosphäre. Nur Teddy gab sich ein wenig zu viel Mühe, Louisa zu beeindrucken, und tastete unmittelbar vor dem Start des Rennens sogar nach ihrer Hand. »Wisst Ihr, Lu, meine Eltern wünschen sich nichts sehnlicher, als Euch in unserer Familie willkommen zu heißen. Wenn ich Euch nun also einen Antrag machen würde - Ihr würdet doch nicht Nein sagen, nicht wahr?«
Starr vor Entsetzen schaute Lu ihn an. »Teddy, ich bitte Euch, lasst das! Georgy wäre außer sich vor Kummer. Wisst Ihr denn nicht, dass sie Euch liebt?«
»Ich weiß, dass sie mich begehrt«, raunte Teddy vertraulich. »Aber Liebe ist da gewiss nicht im Spiel.«
Genau in diesem Moment ertönten aus der Ferne plötzlich gellende Anfeuerungsrufe, und allen war klar, dass in Putney soeben das Rennen begonnen hatte. Ganze vier Meilen mussten die Ruderer sich nun den mäandernden Fluss hinaufkämpfen, doch die Zuschauer in Mortlake begannen schon jetzt, sich gegenseitig mit den Ellenbogen beiseitezudrängen, sodass Lu die Gelegenheit nutzte, Teddy zu verlassen, und sich stattdessen lieber neben Charles stellte.
Je
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