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Symphonie der Herzen

Titel: Symphonie der Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virgina Henley
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Doktortasche und einem Stethoskop ausgerüstet, die Rolle eines Arztes spielte, der angeblich ohne Approbation praktizierte. Der Richter hob die Hand, bat um Ruhe und fragte mit sonorer Stimme: »Ich habe eine Erkältung, und ich huste. Was würden Sie mir verschreiben, Herr Doktor?«
    Prüfend horchte der Doktor den Richter ab, strich sich dabei nachdenklich über seinen langen Bart und verkündete schließlich: »Einen Einlauf zu jeder vollen Stunde. Es ist allgemein bekannt, dass ein tropfender Hintern das einzig probate Mittel gegen eine tropfende Nase ist.« Damit öffnete er seine Tasche und zog eine riesige Klistierspritze mit einem langen Gummischlauch daran heraus. »Bitte einmal vorbeugen.«
    Doch der Richter ließ sich nicht beirren und donnerte: »Schuldig im Sinne der Anklage. Ich verurteile Euch hiermit zu einem Einlauf nach Eurer eigenen Rezeptur.«
    Damit entriss Louisa dem Übeltäter seine Klistierspritze und sperrte ihn ein, während der falsche Arzt schützend die Hände auf sein Hinterteil presste und das Publikum regelrecht schrie vor Lachen.
    Als letzten Gefangenen führte Louisa dem Richter Jack vor. Er hatte sich einen Bauernkittel übergeworfen und eine voluminöse Mütze aufgesetzt, und unter dem Arm trug er einen Hirschschädel samt Geweih - eine der Trophäen aus der Bibliothek seines Vaters. Mit strenger Stimme verlas Louisa die Anklage: »Der Delinquent hat es gewagt, während der Weihnachtstage einen Hirsch zu erlegen. Angeblich hat er sich die Erlaubnis zum Jagen bei einem Würfelspiel mit dem Wildhüter ergaunert.«
    Drohend deutete der Richter auf das Corpus delicti. »Ihr habt gewürfelt? Aber wir haben doch Weihnachten, und da ist das einzig erlaubte Spiel Flaschendrehen!«
    Jack grinste zustimmend, zog eine Flasche Champagner aus der Jackentasche, drehte diese einmal schwungvoll um ihre eigene Achse und versuchte, als diese auf Lu zeigte, prompt, sie zu küssen. Der Polizist alias Louisa aber versetzte ihm einen ordentlichen Stoß mit ihrem Stock und warf ihn zu den anderen Übeltätern in die Arrestzelle; dabei riss sie ihm mit einem kräftigen Ruck den Bauernkittel vom Leibe, und zum Vorschein kam eine schwarz-weiß gestreifte Sträflingsuniform.

»Genau wie ich vermutet hatte!«, dröhnte der Richter. »Ein Wiederholungstäter. Sieben Jahre Arbeitslager!« Damit nahm er die Champagner-Flasche auf, reichte Lu seinen Arm, und gemeinsam verließen die beiden die Bühne.
    In dem Moment, als sie hinter dem Vorhang verschwanden, erschien auf leisen Sohlen Rachel mit einem kleinen Kuchen. Vorsichtig setzte sie ihn vor der Zelle ab, zog einen Papp-Schlüssel unter dem Kuchen hervor und tat so, als ob sie damit das Papp-Schloss öffnete, woraufhin die Gefangenen johlend und feixend ihre Zelle wieder verließen.
    Das Publikum war regelrecht hingerissen von der Vorführung, und stolz marschierte Rachel bis in die Bühnenmitte und verbeugte
    sich.
    Nun aber riefen die jungen Darsteller auch die Erwachsenen auf die Bühne, und es brauchte zum Glück nur wenig Überzeugungsarbeit, bis die Herzogin von Bedford ein sehr stimmungsvolles Lied zum Besten gab. Gleich darauf gesellten sich auch Lady Holland und Mary Grey hinzu, um gemeinsam Händels Messias zu singen. Und auch die Herren waren willens, ihren Teil zum Theaternachmittag beizutragen, und intonierten mit kräftigen Stimmen den Good King Wenceslas, ein uraltes englisches Weihnachtslied.
    Am Ende drängten alle Lord John, noch einmal König Heinrichs Ansprache an seine Truppen vorzutragen: »Stürmt noch einmal auf die Barrikaden, meine Freunde, nur einmal noch ...«
    Der einsetzende Applaus, nachdem John geendet hatte, war geradezu ohrenbetäubend, und das Publikum verlangte eine Zugabe. Zu jedermanns Freude ließ John sich daraufhin zu einer weiteren Kostprobe aus Shakespeares Heinrich IV. hinreißen und rezitierte einfach aus dem auf die Ansprache folgenden Akt: »Dies ist der Tag, an dem wir unseren Heiland feiern ...«
    Am Ende erklärte der Premierminister mit bewunderndem Unterton: »Mein lieber Junge, das war gekonnt! Ich rate Euch, die Argumente für die Gesetzesänderung mit genauso viel Verve vorzutragen, wie Ihr eben Shakespeare zitiert habt. Dann dürftet Ihr wohl keinerlei Schwierigkeiten haben, das Reformvorhaben durchzubringen.«
    Mitte Februar erhielt der Herzog von seinem Sohn einen Brief, und kaum dass er ihn geöffnet hatte, brach er auch schon in lauten Jubel aus; begeistert rief er seine gesamte Familie zu sich,

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