Symphonie der Herzen
getreten, dafür, dass sie James erlaubt hatte, ihre Ehe zu vollziehen. Plötzlich erblickte sie ihr eigenes Spiegelbild und fauchte es an; »Einem Mann sein Herz zu schenken ist so ziemlich dasselbe, als ob man einem Hund einen Strauß Rittersporn schenkt - beide werden einfach bloß drauf scheißen!«
Irgendwann aber blieb Lu abermals stehen und schaute aus dem Fenster hinaus. Die Nachmittagssonne verblasste bereits, und ein feiner Regen hatte eingesetzt, sodass auch ihr Boudoir schon bald in dunkle Schatten getaucht schien. Um die düstere Atmosphäre zu vertreiben, entzündete Lu einige Lampen. Sie konnte noch immer keine Ruhe finden und vermutete, dass es sicher auch nicht mehr
lange dauern könne, bis James ihr einen ersten Kontrollbesuch abstatten würde. Wenn er jedoch vor sie träte, das hatte sie sich schon jetzt fest vorgenommen, dann würde sie ihn weder anschauen noch mit ihm reden, so viel war gewiss. Stattdessen wollte sie ihren stummen Zorn für sich sprechen lassen, das hätte allemal mehr Wirkung als ein Wutausbruch.
Wie vermutet, wurde kurz darauf auch tatsächlich mit Schwung die Tür zu ihrem Boudoir aufgestoßen; Louisa zuckte erschrocken zusammen. Ohne anzuklopfen, kam James hereingetreten, in den Händen ein kleines Tablett mit ihrem Abendessen. Doch Lu wandte ihm ganz bewusst den Rücken zu.
»Es wird sicherlich eine recht kühle Nacht werden«, versuchte er ein Gespräch mit ihr anzufangen. »Wenn dir also irgendwann kalt werden sollte, kannst du gerne zu mir herüberkommen und dich an meinem Torffeuer wärmen.«
Doch Lu schwieg, bis James leise wieder die Tür hinter sich zuzog. Dann aber wirbelte sie herum und brüllte ihm hinterher: »Eher erfriere ich hier, als dass ich mich vor dein verdammtes Feuer setze ... oder auch nur einen Bissen von deinem Essen zu mir nehme!«
Leider jedoch roch das Mahl, das James ihr hingestellt hatte, so köstlich, dass Lu schier das Wasser im Munde zusammenlief, und sie musste all ihre Willenskraft aufbringen, um es nicht anzurühren - was schwieriger war, als sie vermutet hatte. Außerdem meinte sie zu spüren, wie die Luft in ihrem Zimmer immer feuchter und kühler wurde, doch sie weigerte sich, an das wärmende Feuer im Hauptschlafzimmer zu denken. Suchend schaute sie sich um, hoffte, irgendetwas zu finden, womit sie sich die langen Abendstunden vertreiben könnte, doch sie entdeckte nicht ein einziges Buch in ihrem Boudoir. Das Einzige, was sie an Lesbarem vorfand, waren die Briefe von ihrer Mutter und ihrer Schwester, und so ließ sie sich in den gemütlichen Sessel vor ihrem Sekretär plumpsen und nahm die Nachrichten von ihrer Familie auf, um diese ein zweites Mal zu lesen.
Georgys erster Brief handelte allein von Teddy Fox und der Art und Weise, wie er sich vor seiner Verantwortung drückte, was Lu nur nochmals darin bestätigte, wie selbstsüchtig die Männer dieser Welt doch waren. Und der zweite Brief, in dem ihre Schwester ihr schilderte, wie groß, breitschultrig und überaus attraktiv ihr neuester Schwarm sei, erinnerte Lu nur wieder an ihren eigenen Ehemann und entfachte ihren Zorn aufs Neue. Die attraktivsten Männer sind doch meist auch die egoistischsten und arrogantesten, schimpfte sie im Stillen. Ich hätte Georgy doch besser vor diesem Kerl warnen sollen.
Anschließend nahm sie abermals die Briefe ihrer Mutter zur Hand. Stattdessen solltest du Eure Flitterwochen in vollen Zügen genießen, stand da geschrieben. Glaub mir, Euer Sommer in Irland wird schneller vorbei sein, als Du Dir vorstellen kannst. »Wenns nach mir ginge, wären unsere Flitterwochen längst schon vorüber!«, fluchte Lu laut und las weiter: Ich freue mich schon darauf Dich und James wiederzusehen. ... Ich denke, in weniger als einem Monat werde ich schon bei Euch sein! Traurig legte Lu die Briefe zurück in ihren Sekretär. »Ihr braucht nicht herzukommen«, flüsterte sie betrübt. »Wenn ihr hier seid, werde ich schon lange wieder fort sein.«
Seufzend zog sie ihren Schlüpfer und die Korsage aus und behielt nur ihren Unterrock an als Ersatz für ein Nachthemd. Anschließend ging sie zu Bett und dachte darüber nach, wie ungern sie doch im Grunde nach Woburn Abbey zurückkehren würde. Sobald ich wieder zu Hause bin, wird Georgy mich nur wieder dafür einspannen, um ihr ein Alibi für ihre Eskapaden zu liefern, grübelte sie. Hier in Irland dagegen war mein Leben viel schöner. Warum musste Abercorn bloß alles kaputtmachen?
Stundenlang lag Louisa wach und
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