Symphonie der Herzen
schmunzelte Johnny und schenkte der Frau seines Bruders ein beruhigendes Lächeln. »In Mayfair seid Ihr doch in Sicherheit. Euer Stadthaus liegt ganz in der Nähe vom Russell Square, und Francis und seine Frau wohnen gleich nebenan.«
»Richtig, ich habe sogar bereits eine Korrespondenz mit Anna Maria aufgenommen«, stimmte Bessy zu. Das Thema »Revolution« war für sie offenbar schon wieder vergessen, da es neue gesellschaftliche Kontakte zu knüpfen gab. »Residiert Ihr nicht ebenfalls am Russell Square?«, horchte sie Johnny begierig aus. »Ich meine, da Ihr und Francis doch beide tagein, tagaus so fleißig für das House of Commons politisiert?«
»Wie Ihr vielleicht wisst, bin ich auch noch in diversen Komitees vertreten, Lady Bessy. Folglich arbeite ich meist deutlich länger als Francis und habe darum ein paar bescheidene Räumlichkeiten gleich um die Ecke von Whitehall angemietet. Aber ich besuche meine Geschwister am Russell Square natürlich, so oft ich kann.«
»Dann erwarte ich Euch schon bald zum Tee am Cavendish Square«, bat, nein, befahl Bessy.
Louisa warf Johnny einen vielsagenden Blick zu und verdrehte demonstrativ die Augen, um ihm zu bedeuten, dass er sich auf gar keinen Fall zu irgendwelchen Zusagen hinreißen lassen sollte. Glücklicherweise verstand Johnny, was sie ihm damit sagen wollte, und verbarg dezent ein amüsiertes Lächeln.
Abercorn war die heimliche Kommunikation zwischen den beiden natürlich nicht entgangen. Johnny und Lady Louisa verstehen sich offenbar ohne Worte, sinnierte er. Ich beneide ihn!
»Lu, wie sieht es aus? Hast du Lust, uns heute Abend mal wieder einen deiner herrlichen spanischen Tänze vorzuführen?«, fragte John seine Lieblingsschwester.
»Aber gewiss wird sie das!«, mischte Lady Georgina sich ein. »Ich bin mir sicher, wir dürfen uns schon jetzt auf eine fantastische Darbietung freuen.« Als Mutter war sie natürlich sofort Feuer und Flamme, als sich die Chance bot, Lu zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu machen und sie somit gleich einer ganzen Schar potenzieller Heiratskandidaten zu präsentieren.
Louisa lachte geschmeichelt und versprach: »Ich werde tanzen -wenn Johnny dafür einen von Shakespeares Monologen rezitiert! Keiner kann sie so gut wiedergeben wie er.«
Ihr Bruder schnalzte nur verächtlich mit der Zunge und machte eine wegwerfende Handbewegung. Er bildete sich nicht viel darauf ein, Shakespeare gleich passagenweise zitieren zu können, und auch sein schauspielerisches Talent war ihm im Grunde eher peinlich. »Auf einen dieser langweiligen Monologe habe ich eigentlich gar keine Lust«, erwiderte er. »Aber da du ja ohnehin nicht lockerlassen wirst, biete ich dir King Henrys Ansprache an seine Truppen an.«
»Hurra!«, rief Henry begeistert, und auch Cosmo und der kleine Alexander trommelten mit ihren Messern auf den Tisch.
James Hamilton grinste und raunte, an Louisa gewandt: »Ihr habt einen ziemlich aufrührerischen Einfluss.« Und Eure Familie liebt Euch dafür, fügte er in Gedanken hinzu. Wie gerne wäre auch ich Teil dieser Familie! Aber vielleicht ist es mir ja eines Tages vergönnt, dazuzugehören.
Nach dem Abendessen schlenderten die Russells und ihre Gäste geschlossen in das kleine Theater hinüber, während Louisa sich mit Georgy darüber beriet, welches Stück diese spielen sollte, und die Entscheidung schließlich auf eine spanische Komposition fiel. Freundlicherweise bot Johnny sich an, als Erster auf die Bühne zu treten; auf diese Weise gewann Louisa noch ein wenig Zeit, um sich in Ruhe umzuziehen.
Langsam teilte sich der Vorhang, und beleuchtet von einem mächtigen Kronleuchter stand Johnny mitten auf der Bühne. Ernstes Schweigen breitete sich über die Kunstsinnigen, und man erwartete voller Spannung die dramatische Ansprache.
Selbstbewusst atmete Lord John Russell einmal tief durch, legte den Kopf in den Nacken und zitierte mit so lauter und klarer Stimme, als ob er gerade eine Rede vor dem Unterhaus hielte:
»Stürmt noch einmal auf die Barrikaden, meine Freunde, nur einmal noch,
oder schließt die Mauer mit den Leibern unserer toten Gefährten! In Friedenszeiten gibt es nichts Ehrbareres für einen Mann, als ruhig und bescheiden seinem Tagwerk nachzugehen; wenn jedoch die Fanfaren des Krieges in unseren Ohren dröhnen, dann gilt es, das Wesen des Tigers anzunehmen:
Spannt Eure Sehnen,
lasst Euer Blut wallen,
und verbergt Eure sanfte Natur hinter dem heiligen Zorn.
Lehrt unsere Feinde bereits mit Eurem
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