Symphonie der Herzen
bloßen Blick das Fürchten, auf dass die edle Stirn des Engländers nur noch Böses birgt und sogar die sonst so sanften Brauen den fürchterlichen Blick nur noch schärfen,
ganz wie ein zerklüfteter Fels bereits von Weitem den weichen Fuß des Berges zornig überragt,
wenn um ihn herum plötzlich die unersättlichen Fluten des Ozeans toben.
Zeigt die Zähne und bläht die Nasenflügel, nehmt tief die gute Luft in Eure Lungen auf.
Und schärft Eure Sinne,
bis Eure Wahrnehmung klar ist wie ein Kristall.
Und dann, Ihr englischen Edelleute, heißt es auch schon: Voran, voran!
In Euch fließt das Blut von kriegsbewährten Vätern, von denen jeder einzelne sich bereits als wahrer Alexander bewies und vom frühen Morgen bis spät in die Nacht gekämpft hat, als der Feind, statt weise Worte zu wählen, lieber Schwerter sprechen ließ.
Entehrt nicht Eure Mütter, sondern beweist, dass die, die sich zu Euch bekennen,
auch tatsächlich Eure Väter sind.
Seid unseren Untertanen von einfacherem Geblüt ein Vorbild, und zeigt ihnen, wie man kämpft.
Auf dass auch Ihr,
Ihr guten Bauern und Knechte,
die Ihr doch nicht weniger Engländer seid als wir, uns zeigt, welch glühender Funke auch in Eurer Brust schwelt.
Lasst uns gemeinsam einen Eid darauf schwören, dass Ihr es wert seid,
Euch >Engländer< zu nennen!
Denn es gibt niemanden,
und sei er noch so einfach oder von noch so niederer Geburt, der nicht den noblen Funken der Leidenschaft in seinen Augen hat.
Dort steht Ihr nun wie die Windhunde, begierig, endlich die zähmende Leine abzustreifen, und sehnt Euch nach dem Beginn der Jagd.
Das Wild ist schon ganz nah.
Und darum folgt nun Eurem Drängen und setzt der Beute nach und schreit:
>Mit Gott für Harry, England und den Heiligen Georg!«<
Nach einem Augenblick der Stille folgte ein ohrenbetäubender Applaus, und die anwesenden Herren brüllten unisono: »Mit Gott für Harry, England und den Heiligen Georg!«
Johnny hingegen lächelte nur stumm, verbeugte sich einmal zackig, und dann wurde der Vorhang auch schon wieder geschlossen. Lässig sprang er den Seitenaufgang der Bühne hinab, ließ sich gleich neben Abercorn in seinen Sessel fallen und genoss sichtlich die begeisterten Glückwünsche zu seiner flammenden Ansprache.
Nun nahm Georgy ihren Platz am Cembalo ein und wartete, bis der Lärm wieder verebbte. Anschließend legte sie ganz sachte die Finger auf die Tasten und ließ sie dann in einem unerwartet donnernden Akkord erbeben.
Abermals schwang der Vorhang zur Seite, und auf der Bühne stand Louisa, den schlanken, grazilen Körper zu einer dramatischen Pose gespannt. Ihr schwarzes Haar trug sie straff zurückgebunden, und hinter ihr eines Ohr hatte sie sich eine große rote Rose gesteckt. Dazu hatte sie einen fließenden langen Rock ausgewählt, einen seidenen Schal und einen schwarzen Spitzenfächer, der ihre untere Gesichtshälfte verbarg.
Alle hielten für einen winzigen Moment ergriffen den Atem an, als die stakkatoähnliche Musik begann und Lu beide Hände hoch über den Kopf erhob, während sie im perfekten Einklang mit Georgys strengem Takt ihre Kastagnetten klappern ließ. Ihr roter Rock bauschte sich und entblößte ihre schwarzseidenen Strümpfe und hohen Stiefeletten. Louisa tanzte einen Paso Doble, stampfte in rasantem Tempo mit den Fersen auf den hallenden Bühnenboden, während die Musik immer mehr Tempo aufnahm und schließlich sogar das Publikum ansteckte. Hinzu kam der hochmütige und dramatische Blick, den wohl selbst eine geborene Spanierin nicht überzeugender hätte aufsetzen können, sodass Louisas Darbietung am Ende mindestens ebenso theatralisch wie lebendig und ganz einfach atemberaubend war. Zum Schluss peitschte sie noch einmal mit ihrem seidenen Schal durch die Luft, bis man meinte, die Silhouette eines wütenden Stieres zu erkennen.
Der Applaus war schier ohrenbetäubend, während Lu einmal bescheiden knickste und unter lauten »Bravo!«-Rufen die Bühne verließ.
»Sie hat wirklich ein unglaubliches Talent«, staunte Johnny, während Abercorn zustimmte: »Ja, sie ist unvergleichlich. Und eines Tages, das garantiere ich Euch, mache ich sie zu meiner Ehefrau.«
5
Entspannt nippte der Herzog von Clarence an seinem Bordeaux und genoss die angenehme Gesellschaft, in der er sich gerade befand: Der Herzog von Bedford hatte alle in Woburn Abbey weilenden Herren zu einem Drink in die Bibliothek geladen.
Nach einer Weile gab John Russell seinem Sohn ein kleines Zeichen,
Weitere Kostenlose Bücher