Symphonie des Lebens
griff zum Telefon und rief die Münchner Kriminalpolizei an. Eine Stunde später hatte Kommissar Weghart die Aussage des Münchner Bankdirektors als Fernschreiben vor sich auf dem Schreibtisch liegen.
»Ich ahnte doch, daß da etwas faul ist!« rief er und legte seine Hand auf das Fernschreiben. »Eine Frau, die total verbrennt, ein unbekannter Mann, der am nächsten Morgen ihr ganzes Geld abhebt … Aber der Scheck ist gültig. Es ist die Unterschrift von Frau Donani … der Schriftvergleich ist eindeutig.« Er sah nachdenklich über seine Mitarbeiter hinweg und atmete ein paarmal tief durch. »Es wird sich nicht vermeiden lassen, Herrn Donani zu fragen, ob seine Frau einen Geliebten hatte. Wir können ihm diesen letzten Schock nicht mehr ersparen. Hatte sie einen Geliebten, dann war es kein Unfall, sondern Mord. Meine Herren – mein Gefühl hat mich noch nie getäuscht, auch wenn ein Kriminalist nicht auf Gefühle, sondern auf Spuren und Beweise horchen soll –«
*
Auch die letzte Erschütterung ertrug Bernd Donani, um so gefaßter, als er beweisen konnte, daß Carola nie einen Geliebten gehabt hatte und es absurd war, überhaupt daran zu denken.
»Sie war die beste, treueste und ehrlichste Frau«, sagte er heiser vor Ergriffenheit. »Es ist eine Beleidigung, ihr nach dem Tode so etwas zuzutrauen.«
»Aber der Scheck, Herr Generalmusikdirektor –«, sagte Fritz Weghart stockend. »Der Scheck ist eine Tatsache. 72.000 DM wurden abgehoben.«
»Das wird sich klären.«
»Es wird sich nie klären, weil wir im Dunkeln tappen.«
»Lassen wir die Tote ruhen.«
»Wer war der Mann, der den Scheck einlöste? Der Bankdirektor schildert ihn als jung, elegant, südländisch –«
Bernd Donani wandte sich ab. Man sollte die Qual in seinem Gesicht nicht sehen. Nie hatte Carola einen Geliebten, dachte er. Es war völlig unmöglich. Immer war sie um mich … vor dem Konzert, während der Konzerte, nach dem Konzert. Um einen Geliebten muß man sich kümmern, ein Geliebter benötigt Zeit, und Carola hatte nie Zeit gehabt. Sie war immer um ihn gewesen. Die Stimme Wegharts schreckte Donani auf.
»Hatten Sie in letzter Zeit Auseinandersetzungen mit Ihrer Gattin?«
Donani schüttelte den Kopf. »Nie!« sagte er laut. »Das gab es gar nicht bei uns!«
Warum lüge ich plötzlich, dachte er. Carola war in der letzten Zeit so nervös. Ein paarmal hatte sie ihn angeschrien, sie sei unverstanden und einsam. Er hatte es als nicht so tragisch empfunden – jeder Mensch hat ein Recht, einmal mit seinen Nerven durchzugehen. War es bei Carola mehr gewesen als nur ein launischer Anfall?
Donani schwieg verbissen. Zum erstenmal wurde er unsicher, wenn er an Carola dachte. Seine Liebe und sein Vertrauen waren so groß gewesen, daß sein Kosenamen ›Engelchen‹ nicht bloß so dahergeredet war, sondern seinem Gefühl entsprang, in Carola wirklich einen Engel bekommen zu haben.
»Es gibt eine andere Möglichkeit, wie der Scheck nach München gelangen konnte«, sagte Kommissar Weghart. »Allerdings ist dies billigste Kolportage: Ein vorbeikommender ausländischer Autofahrer sieht das brennende Wrack, will helfen, sieht eine Brieftasche mit dem Scheck, nimmt ihn und fährt schnell weiter. Tatsächlich haben wir auch keine Brieftasche oder dergleichen in dem Wrack gefunden –«
»So wird es gewesen sein«, sagte Donani leise.
»Aber warum füllt Ihre Gattin einen so hohen Scheck aus? Ihr gesamtes Vermögen?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Donani gequält. »Ich kann sie nicht mehr fragen –«
Dabei blieb es.
Auch die Obduktion im Gerichtsmedizinischen Institut ergab keine Hinweise. Der Körper war zu sehr verkohlt, um an den inneren Organen noch Aufschlüsse zu entdecken. Nur eines stand fest … Carola Donani konnte so vollkommen nur verbrennen, wenn sie mit Benzin getränkt worden war. Ein Rätsel, das Kommissar Weghart zu den Akten nahm und nie geklärt werden würde.
Die amtliche Todesursache wurde eingetragen: Tod durch Unfall. Die Leiche wurde zur Beerdigung freigegeben. In einem verlöteten Zinksarg reiste sie mit der Bahn nach Starnberg. Bernd Donani und Pietro Bombalo flogen voraus. Ihnen blieb noch eine schwere Aufgabe: Sie mußten den Kindern sagen, daß ihre Mami nicht mehr lebte. Bombalo hatte zu diesem Zweck einen riesigen Karton mit Spielsachen gekauft … Puppen, die richtig gehen konnten, Puppen, die ganze Sätze sprachen – vielleicht, so dachte er, war es möglich, die Kinder damit abzulenken und ihnen die
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