Symphonie des Lebens
weiß das von Bildern und Berichten. Im Banktresor befindet sich nur ein kleiner Teil, in Starnberg – wir erlaubten uns nachzufragen – liegt ein kleines Schmuckkästchen … den Hauptteil aber hatte Ihre Gattin auf den Tourneen mit. Auch der Schmuck ist bis auf den relativ wertlosen Schmuck, den sie bei dem Unglück trug, verschwunden –«
»Was soll das alles?« sagte Donani ärgerlich.
»Geld abgehoben, Schmuck nicht vorhanden … das stimmt jeden Kriminalisten nachdenklich.«
»Ich bin kein Kriminalist – ich bin der Witwer einer Toten, die ich über alles geliebt habe.« Donani stand auf. Es war deutlich, daß er damit die Unterredung beenden wollte. Fritz Weghart blieb sitzen. Es tat ihm weh, so unhöflich zu sein … aber er war nicht nur Bewunderer Donanis, er war auch Beamter.
»Es kann sein, daß die Tote beraubt worden ist«, sagte er. »Diese Möglichkeit zogen wir schon damals in Betracht. Wir wußten da nichts von dem Bankkonto.« Weghart beugte sich über seine Aufzeichnungen. »Die Kriminalpolizei arbeitet wie ein Archäologe, der Tonscherben zu einer Vase zusammensetzt. Wir haben uns die Mühe gemacht, das Signalement aller in diesem Zeitraum vermißten weiblichen Personen zu sammeln. Wir haben dabei entdeckt, daß zum Tage des Unfalls Ihrer Gattin von 73 gesuchten Frauen neun blond waren und auch figürlich stimmten. Von diesen neun Frauen sind vier gefunden worden … fünf werden noch immer vermißt –«
Donani fuhr herum. Er wußte, was Fritz Weghart mit dieser Aufzählung unbekannter Tragödien bezweckte. »Das ist doch kompletter Unsinn!« rief er. »Das ist ja billigste Kolportage!«
»Haben Sie Ihre Gattin einwandfrei identifizieren können?«
»Mit hundertprozentiger Sicherheit! Das Kleid, die Haare, die Ringe, der Wagen, die Papiere –«
»Vom Kleid war nichts mehr vorhanden … Sie erinnern sich, daß der Körper …«
»Bitte –« Donani hob beide Hände. Sein Gesicht verzog sich voll Qual. Er hatte den Anblick der verbrannten, auf Kindergröße zusammengeschrumpften Leiche nie mehr vergessen können.
»Es war Carola!« sagte er laut.
»Dann müssen wir die Akten schließen mit einigen offenen Rätseln –«
»Ich bitte darum.« Donani drückte den Kopf an den Kragen. »Dieser Unglücksfall war das einschneidendste Ereignis in meinem Leben. Ich habe alles verloren, was mir das Leben liebenswert machte. Bitte, geben Sie der Toten jetzt ihre Ruhe … und auch mir …«
Kommissar Fritz Weghart erhob sich und verließ nach kurzem Händedruck das Zimmer. Er kam sich vor wie ein Schuldiger, obwohl er nur seine Pflicht getan hatte.
Ich schließe die Akten, dachte er. Ich teile der Staatsanwaltschaft mit, daß nichts mehr zu ermitteln ist. Wirklich, die Tote soll ruhen. Jeder Mensch nimmt Geheimnisse mit ins Grab – wir sollten sie bis zu einer gewissen Grenze respektieren.
Eine Stunde später betrat Pietro Bombalo das Appartement Donanis, nachdem er mehrmals geklopft und auf einen Anruf gewartet hatte. Donani saß am Fenster und starrte hinaus auf die Straße. Auch als Bombalo zu sprechen begann, drehte er sich nicht um. Es war nicht einmal sicher, ob er Bombalo überhaupt hörte oder verstand, was er sagte.
»Maestro –« Bombalo kratzte sich den Kopf und schabte mit den Schuhspitzen über den Teppich. »Ich habe vierzehn Tage Urlaub herausgeholt. Wir können zwei Wochen in Starnberg bleiben. Und dann … dann geht es für drei Monate nach Südamerika. Es ist alles schon ausgebucht. Das erste Konzert ist in Santiago de Chile.« Bombalo wartete auf eine Äußerung Donanis. Doch dieser schwieg und wandte sich nicht einmal um. »Es ist also alles in Ordnung, Maestro?« fragte Bombalo.
Keine Antwort.
»Ich kann fest zusagen?«.
Keine Antwort.
Bombalo seufzte. Man muß ihn aus dieser Lethargie herausreißen, dachte er wieder. Aber wie? Madonna, wie? Mit Frauen – das war eine Fehlspekulation. Mit weiten Reisen … das war nur eine räumliche Trennung, aber keine seelische. Donani mußte vergessen können, man mußte ihn zwingen, an das Heute und nicht immer an das Gestern zu denken. Er mußte sich von der Toten lösen. Er gehörte ausschließlich und ganz allein dem Leben.
»Wann fliegen wir?«
Die Stimme Donanis riß Bombalo aus den Gedanken.
»Morgen, Maestro. Mit der 10-Uhr-Maschine.«
»Wissen die Kinder, daß ich komme?«
»Ja. Sie werden in München am Flugzeug sein.«
»Ich freue mich auf sie.« Donani atmete tief auf, als müsse er etwas vom Herzen
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