Symphonie des Lebens
glücklich sein … auf der Bühne und in meinen Armen.
Man kann ein Paradies kaufen … man muß nur wissen, wo es liegt –
*
Pünktlich, wie verabredet, traf der Brief ein.
Leclerc trug ihn selbst vom Postkasten an der Straße die steile Felsentreppe hinauf.
Carola lag auf der Terrasse im Liegestuhl und sonnte sich. Da sie mit Himmel und Meer allein war und niemand auf das Haus sehen konnte, lag sie nackt in der Sonne, lang hingestreckt mit ausgebreiteten Armen und Beinen, ein herrlicher, braunrosa schimmernder Körper. Nur über das Gesicht hatte sie ein feuchtes Tuch gedeckt; Dr. Lombard hatte ihr die starke Sonneneinstrahlung für die ersten drei Monate verboten, da die Haut sonst zu sehr austrocknete und gerade die neu geformte Nase äußerst empfindlich gegen zu hohe Temperaturen war.
Jean Leclerc bemühte sich, beim Anblick des nackten Körpers nicht wieder unruhig zu werden. Er ließ die Terrassentür klappen als Zeichen, daß er zurückgekommen war. Carola drehte unter dem schützenden Tuch den Kopf zu ihm.
»Ist Post gekommen?« fragte sie. Dann merkte sie, wie unlogisch die Frage war. Sie hob den Arm und winkte Leclerc. »Wie dumm von mir … wer soll uns schon schreiben? Wer weiß denn, daß wir hier unser Paradies haben?«
»Ein Brief ist gekommen.«
»Was?« Sie sprang auf, warf das Tuch vom Gesicht und beugte sich vor. Leclerc sah an ihr vorbei, das Blut rauschte wieder in seinen Schläfen. Diese Frau ist nur geschaffen für die Liebe, dachte er. Alles, was sie tut, jede Bewegung, jeder Ton, alles an ihr ist Lockung und Bereitschaft. »Von wem ist er denn?«
»Ein Unbekannter.« Leclerc las den Absender. »Ein Franco Gombarelli.«
»Nie gehört.« Carola erhob sich von dem Liegestuhl und kam auf Leclerc zu. Sie nahm ihm den Brief aus der Hand und schlitzte ihn mit ihren langen Fingernägeln auf. Dann entfaltete sie den Briefbogen und reichte ihn Leclerc wieder hin. »Lies bitte, mein Liebling.«
Leclerc nagte an der Unterlippe. Er überflog das Schreiben, stutzte dann, seine dunklen Augenbrauen zogen sich zusammen, sein Jungengesicht bekam den Ausdruck tiefster Verblüffung, dann las er den Brief noch einmal und diesmal mit schnellerem Atem.
»Etwas Unangenehmes, Liebling?« fragte Carola.
»Ich soll vorspielen –« Es war wie ein Schrei. »Stell dir vor … ein Impresario bittet mich vorzuspielen. Am Freitag! In Cannes! François Parthou, dieses Scheusal in Marseille, hat mich ihm empfohlen … Ist denn so etwas zu glauben?«
»Zeig einmal …« Carola nahm ihm den Brief aus der Hand und las die wenigen Zeilen, die genau das enthielten, was sie Gombarelli gesagt hatte. »Wie schön … nun geht dein Stern auf, mein Liebling.« Sie warf den Brief auf einen Tisch und legte die Arme um Leclercs Hals. »Ich glaube an dich«, sagte sie mit leiser, zärtlicher Stimme. »Du wirst einmal ein ganz, ganz großer Mann werden … du wirst so spielen, wie du lieben kannst. Und das wird unerreichbar sein.«
Leclerc küßte sie und streichelte ihren heißen Rücken. »Freitag –«, sagte er und blickte an ihr vorbei auf die gischtumtosten Klippen unter sich. »Das sind noch drei Tage. Ich werde jetzt wie ein Irrer üben … ich werde mit Menuhin ein Doppel spielen … ich will ihnen zeigen, was Jean Leclerc kann.«
Gleich nach dem Mittagessen fuhren sie nach Antibes und kauften einen guten Plattenspieler und alle erreichbaren Schallplatten der großen Violinvirtuosen. Sie hielten sich nicht lange in der Stadt auf, kehrten in ihr Felsenhaus zurück, und schon zehn Minuten später stand Leclerc im großen Wohnzimmer vor dem Plattenspieler und übte die schwierigen Passagen. Dann stellte er die Platten ab und spielte allein, sich immer wieder aus der Partitur korrigierend. Carola mußte ihn mit sanfter Gewalt aus seinem Rausch herausreißen und vom Notenständer wegziehen.
»Auch ein Genie muß etwas essen«, sagte sie und nahm ihm die Geige aus der Hand. »Schluß jetzt.«
»Wie war ich?« fragte er, die alte, immer wiederkehrende Frage der Künstler. Auch Donani stellte sie nach jedem Konzert, wenn er mit Carola endlich allein war. Wie war ich … Carola wandte sich ab. Ein Stich jagte ihr durchs Herz. An den kleinen Dingen scheitert das Vergessen, dachte sie. Ein Wort, eine Bemerkung nur … und schon steht die Vergangenheit wieder auf.
»Ich weiß nicht –«, sagte sie mit mühsam fester Stimme. »Ich kann die Feinheiten nicht unterscheiden … aber ich finde dich immer wunderbar
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