Symphonie des Lebens
auf die Klaviertasten und atmete ein paarmal tief durch. Jean Leclerc erwachte wie aus einer Betäubung. Er drückte die Geige gegen seine Brust und starrte Gombarelli an.
»Wunderbar –«, sagte Gombarelli nach einer Zeit des Schweigens. »Einfach wunderbar!«
»Ist … ist das wahr?« Leclercs Stimme war kaum hörbar.
»Ich würde es nie sagen, Jean! Sie haben einen ganz großen Weg vor sich –«
»Und Sie werden ein Konzert arrangieren?«
»Das fragen Sie noch?« Gombarelli erhob sich und streckte Leclerc beide Hände entgegen. »Jean, ich danke Ihnen für diese Stunde. Ich habe Ihnen vieles abzubitten … ehrlich … ich hatte zuerst gedacht, daß Parthou übertrieben habe und mir da ein Kuckucksei ins Nest legen will. Aber nun weiß ich, daß Sie alles in sich haben, einer der ganz Großen zu werden …«
Gombarelli drückte Leclerc die Hände. Die Begabung hat er, dachte er dabei. Aber ob sein Charakter mitkommt? Was bindet ihn an diese Frau? Wer ist diese Vera Friedburg? Was hat er bisher getan?
Die Frage, die Leclerc fürchtete, kam, weil sie kommen mußte.
»Wo waren Sie bisher?«
Leclercs Gesicht wurde hart. »Bei den Pariser Philharmonikern.«
»Unter Donani?«
»Ja.«
»Und Donani hat Ihr Talent nicht erkannt?«
»Nein.«
»Merkwürdig!« Gombarelli schüttelte den Kopf. »Und warum sind Sie von Donani weg?«
»Weil ich nicht mehr wollte!« Leclerc schrie plötzlich. Gombarelli wich zurück, als fürchte er, mit der Geige einen Schlag gegen den Kopf zu bekommen. »Ich kann Arroganz und Mißachtung nicht vertragen! Und ich wollte weiter … weiter … ich wollte nicht mein Leben als Geiger in der letzten Reihe beenden! Ich weiß, was ich kann!«
Gombarelli nickte. Er wird verbrennen, dachte er, fast traurig. Er wird an sich selbst zugrunde gehen … ein Genie, das sich nicht pflegen läßt und in kurzer Zeit übergärt wie ein schlecht gelagerter Wein. Er hat nicht die innere Stärke, sich selbst in der Gewalt zu halten. Sein Charakter wird den Künstler in ihm ermorden.
»Wann soll das Konzert sein?« fragte Leclerc.
»In drei Wochen. Ich will es gründlich vorbereiten.«
Gombarelli strich sich nervös über den Kopf. »Plakate, Zeitungsanzeigen, Handzettel, zwei Presse-Interviews … ich will sehen, ob ich sogar Radio Monaco interessieren kann. Es soll ja ein voller Erfolg werden.«
»Zweifeln Sie noch daran?«
»Nein.« Gombarelli klappte den Deckel über die Tastatur des Flügels. »Wir werden auf unsere Kosten kommen.«
Und diese Frau Vera Friedburg wird sie bezahlen, dachte er. Es ist eigentlich ein schändliches Spiel, das wir mit ihm treiben. Wir züchten einen Künstler, der nicht die menschlichen Qualitäten hat, es zu sein. Man sollte ihm sagen: Du kannst zauberhaft spielen, mein Junge, aber innerlich bist du ein fauler Apfel, wurmstichig und morsch. Bleibe, was du jetzt bist – ein Spielzeug reicher Frauen, deren Bankkonten dir offenstehen. Du brauchst keinen Frack anzuziehen, um zu leben … du lebst besser vom Ausziehen.
»Ich schicke Ihnen den Vertrag zu, Jean«, sagte Gombarelli. »Und ich habe mich gefreut, daß wir uns kennengelernt haben. Nach dem Konzert reden wir eingehend über einen Managervertrag, nicht wahr?«
Müde, ausgepumpt bis auf die Knochen, verließ Leclerc das Musikzimmer und suchte Carola in der Hotelhalle. Sie saß am Fenster, trank einen Tee und las in einer Modezeitung. Als sie ihn kommen sah, sprang sie auf und rannte ihm entgegen. Sie nahm seinen Kopf zwischen beide Hände und küßte ihn wie eine Mutter, die ihren Sohn nach einer bestandenen Prüfung begrüßt. Leclerc entzog sich ihren Händen mit einem Ruck des Kopfes.
»Ist alles gut gegangen?« fragte Carola, plötzlich ängstlich.
»Alles –«
»Du gibst ein Konzert?«
»Ja.«
»Hier in Cannes?«
»Ja.«
»Das ist ja wunderbar!« Carola wirbelte herum und winkte einem der livrierten Kellner. »Eine Flasche Champagner!« rief sie. »Liebling, das werden wir feiern!«
Leclerc schüttelte den Kopf. Er preßte den Geigenkasten unter den Arm und atmete schwer.
»Laß uns gehen, Chérie –«, sagte er heiser. »Ich will nach Hause. Ich will allein sein.«
»Aber Liebling –«
Leclerc wandte sich ab und verließ die Hotelhalle. Carola warf einen Geldschein auf den Tisch und rannte ihm nach. Auf der Promenade holte sie ihn ein … er ging, den Kopf vornübergebeugt wie ein Rammbock, durch die Menschenmenge, mit einem verkniffenen Gesicht, als habe er nicht vor wenigen Minuten
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