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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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leicht und sehr dünn, dehnbar und aus demselben violett schillernden, schwarzen Material. Er zog den Reißverschluss auf und breitete ihn auf dem Bett aus. Dann griff er nach der Wasserflasche und trug sie zum Schreibtisch, wo er seine Tasche vom Boden hochhob und sie neben die Flasche stellte. Schließlich setzte er sich auf Bigends Stuhl, öffnete die Tasche und zog seine zerknautschte Baumwolljacke heraus. Fast ein wenig überrascht betrachtete er das Tweedrevers seines neuen Jacketts. Die Manschetten des Hemdes waren äußerst merkwürdig, andererseits konnte man sie unter dem Jackett nicht sehen. Er legte seine alte Jacke zur Seite und zog den Mac Air samt Stromkabel, UK-Adapter und Hollis' rotem Dongle hervor.
    Elektrizität war in Großbritannien eine äußerst grobschlächtige Angelegenheit, die Stecker hatten drei Zinken, die Dosen waren oft mit einem kleinen Schalter ausgerüstet, als zusätzliche Absicherung sozusagen. Er steckte das Netzgerät in die Dose, die dem Schreibtisch am nächsten war, und legte den Wandschalter um.
    Er googelte »Tanky&Tojo« und fand innerhalb kürzester Zeit heraus, dass Jun - Junya Marukawa - in Tokio einen eigenen Laden hatte, dass über Tanky&Tojo im Netz viel geredet wurde und dass nächstes Jahr in New York eine SoHo-Filiale an der Lafayette eröffnen würde. Hubertus Bigend wurde nirgendwo erwähnt. Juns Stil wurde von mindestens einem Autor als japanische Spielart »traditioneller Transgression« bezeichnete.
    Dann wechselte er zu Twitter, loggte sich ein, sah, dass es keine Neuigkeiten von Winnie gab, und verfasste in Gedanken eine Botschaft an sie, während er sich der drei sonderbaren Mädchen mit Zahlen anstelle von Vornamen entledigte, die wollten, dass er ihnen folgte.

53. Cricket
    Die Grillenstimme des Telefons weckte sie, wobei sie sich sofort unsicher war, ob sie überhaupt geschlafen hatte. Sie hatte die ganze Nacht hindurch zusammengerollt neben ihm gelegen, die meiste Zeit wach, aus einem unbestimmten Bedürfnis heraus, die Tatsache zu verarbeiten, dass et hier war. Er roch nach Krankenhaus. Das lag an etwas, das er auf die Wunden getan hatte. Die sie nicht hatte anschauen dürfen. Sein verletztes Bein hatte er als »noch unfertiges Kunstwerk« bezeichnet.
    Er hatte sich in den Sessel gesetzt, um den Verband zu wechseln, auf eine schwarze Mülltüte, die er aus dem Rucksack genommen hatte, der an der Rückseite des Elektromobils hing, und hatte bedächtig die Sicherheitsnadeln am Innensaum seines Hosenbeins entfernt. Sie hatte im Badezimmer warten müssen, an die Rohre des Duschkäfigs gelehnt, über denen die Handtücher hingen. Er hatte bewusst unmelodiös vor sich hin gepfiffen, um sie zu ärgern. »Na also«, hatte er schließlich gerufen. »Jetzt bin ich wieder salonfähig.«
    Sie war ins Zimmer getreten, während er noch die letzten Sicherheitsnadeln an seiner Hose befestigt hatte. Die schwarze Mülltüte, die auf dem Sessel ausgebreitet gewesen war, hatte auf dem Teppich gelegen und war um etwas zusammengeknotet gewesen. »Tut das weh?«, hatte sie gefragt.
    »Eigentlich nicht«, hatte er gesagt. »Alles andere, die Operationen, die Physiotherapie, das ist weniger lustig. Wusstest du, dass ich einen Oberschenkelknochen aus Rattan habe? Es ist ihnen gelungen, menschliche Knochen damit nachzubilden.«
    »Das denkst du dir jetzt aus.«
    »Sie haben gerade erst angefangen, es an Menschen zu testen. An mir, genau genommen. Bei Schafen klappt es wunderbar.« »Das ist doch nicht möglich!«
    »Sie stecken es in einen Ofen. Mit Kalzium und anderen Stoffen. Unter hohem Druck. Für sehr lange Zeit. Und dabei verwandelt es sich in etwas, das einem Knochen sehr ähnlich ist.«
    »Nie im Leben!«
    »Ich hätte sie bitten sollen, dir einen Korb herzustellen. Das Tolle daran ist, dass sie aus Rattan genau den Knochen konstruieren können, der gebraucht wird. Dann ossifizieren sie ihn. Das ideale Ersatzteil. Sogar etwas stabiler als das Original! Und die mikroskopische Struktur ermöglicht es den Blutgefäßen hineinzuwachsen.«
    »Du sollst dich nicht über mich lustig machen!«
    »Erzähl mir, was Milgrim noch zu Mr. Big End gesagt hat«, hatte er sie gebeten. Er betonte es immer so, als wären es zwei Wörter.
    Sie tastete nach dem Hörer, der sich im Dunkeln noch viel schwerer anfühlte als sonst, hob ihn hoch. »Ich bin in zehn Minuten da«, sagte Bigend. »Warten Sie auf der Frühstücksgalerie.«
    »Wie viel Uhr ist es?«
    »Viertel nach acht.«
    »Ich

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