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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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er dem Proletariat aussaugt das Blut.« Diese letzte Äußerung weckte bei Milgrim ein solches Gefühl von Nostalgie, dass er sie, ohne darüber nachzudenken, auf Russisch wiederholte — für einen Moment sah er vor seinem geistigen Auge das Klassenzimmer in der Columbia, wo er ihn zum ersten Mal gehört hatte.
    »Russisch«, sagte Voytek, und seine Augen wurden schmal, als hätte er »Syphilis« gesagt.
    »Verzeihung«, sagte Milgrim reflexartig.
    Voytek erwiderte nichts, sondern schäumte nur noch still vor sich hin. Sie befanden sich jetzt auf einer geraden Strecke, und als Milgrim hochschaute, konnte er keine Gebäude mehr sehen. Eine Brücke, ver mutete er. Sie wurden langsamer, bogen ab. Zwischen Häuser, die niedriger waren und heruntergekommen wirkten. Der Subaru holperte über etwas hinweg und hielt dann an. Fiona stellte den Motor ab und stieg aus. Milgrim schob einen Vorhang beiseite und erhaschte einen Blick auf Bennys Motorradhof. Benny selbst kam zu ihnen herüber. Fiona öffnete die Hecktür und schnappte sich einen von Voyteks Pelican-Behältern.
    »Achtung«, sagte Voytek, »ganz vorsichtig.«
    »Ich weiß«, sagte Fiona und gab ihn an Benny weiter.
    Benny beugte sich vor und musterte Voytek. »Na, eine kleine Meinungsverschiedenheit in der Kneipe?«
    Voytek starrte Milgrim wütend an. »Das Blut«, sagte er. »Saugen es aus.«
    »Völlig übergeschnappt«, stellte Benny fest, nahm einen weiteren Behälter und ging davon.
    Voytek rutschte auf seinem B.U.M. Equipment - Logo über die mit Teppich ausgelegte Ladefläche, kletterte aus dem Wagen, packte die beiden verbliebenen Behälter und ging davon.
    Milgrim stieg mit steifen Knien aus und schaute sich um. Es war niemand zu sehen. »Nicht viel los«, sagte er.
    »Teezeit«, sagte Fiona. Sie betrachtete ihn eingehend. »Das ist aus dem Laden.«
    »Ja«, sagte Milgrim.
    »Steht Ihnen nicht übel«, sagte sie anerkennend, wenn auch überrascht. »Darin sehen Sie ein ganzes Stück cooler aus.« »Tatsächlich?«
    Fiona schloss die Hecktür des Lieferwagens. »Wir brauchen Ihre Sachen«, sagte sie, ging zur Seitentür herum und öffnete sie. Dann reichte sie Milgrim seine Tasche und eine Tanky&Tojo-Tüte mit den Kleidern, die er vorher getragen hatte (minus die Sonny-Jacke), und der MontBell-Wurst. Schließlich zog sie die wieder zusammengerollte Matratze und eine schwarze Mülltüte heraus. »Das sind Ihre Sachen aus dem Holiday Inn.«
    Er folgte ihr in die vollgestellte Garage.
    Als sie sich dem Eingang von Bigends Vegaswürfel näherten, kam Benny gerade aus ihm heraus. Fiona reichte ihm die Schlüssel des Lieferwagens. »Der Vergaser am Motorrad ist in Ordnung«, erklärte sie ihm. »Sag Saad von mir Dankeschön.«
    »Okay«, sagte Benny und nahm im Vorbeigehen die Schlüssel entgegen.
    Milgrim folgte Fiona in den Raum. Zwei von Voyteks Behältern standen offen auf dem Tisch. Die anderen beiden, noch immer geschlossen, befanden sich auf dem Boden. Voytek ttug schwarzsilberne Kopfhörer und setzte etwas zusammen, das für Milgrim wie ein schwarzer Squashschläger ohne Bespannung aussah.
    »Lasst mich in Ruhe«, sagte Voytek tonlos und ohne aufzublicken. »Ich muss arbeiten.«
    »Gehen wir«, sagte Fiona zu Milgrim und legte die Matratze und den schwarzen Beutel mit Milgrims Sachen aus dem Hotel auf den Boden. »Allein wird er damit schneller fertig.« Milgrim ließ die Wurst neben die Matratze fallen, behielt seine Tasche jedoch bei sich. Als er den Raum verließ, sah er, wie Voytek vor eine Wand trat und den Schläger mit beiden Händen hochhob, als würde er eine Messe zelebrieren.
    »Was macht er denn da?«, fragte er Fionna, die auf ein Motorrad hinunterblickte, dessen Motor auf dem vollgemüllten Boden verteilt war.
    »Er sucht nach Wanzen.«
    »Hat er früher schon welche gefunden?«
    »Nicht hier. Aber die Garage ist noch geheim, soweit ich weiß. Bei Blue Ant tauchen die Dinger wöchentlich auf. Bigend hat schon eine ganze Pralinenschachtel voll davon. Er sagt, irgendwann macht er mir eine Halskette daraus.«
    »Wer versteckt sie denn dort?«
    »Irgendwelche Firmenanalytiker, nehme ich an. Die Leute, die er sonst auf keinen Fall engagiert.«
    »Und das funktioniert? Wenn man etwas in Erfahrung bringen will?«
    »Einmal«, sagte sie und berührte den geborstenen Rand der Motorradverkleidung auf eine Art und Weise, die ihn eifersüchtig machte, »hat er mich mit einem Taser ans andere Ende der Stadt geschickt.«
    »So ein Ding, um Leuten einen

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