Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
zu, bevor sie zu Hollis aufblickte. »Mein Mann stammt aus Chicago. Nachdem wir uns kennenlernten, haben wir dort gewohnt, und da habe ich die Überreste des amerikanischen Handwerks entdeckt. Was dort produziert worden war, trug ich schon seit Jahren - ich kann an keinem Secondhand-Laden vorbeigehen. Aber ich hatte mir nie Gedanken darüber gemacht, wo das alles herkommt.« »Ihre Sachen sind wunderbar gearbeitet.«
    »Ich habe festgestellt, dass ein amerikanisches Baumwollhemd, das 1935 20 Cent gekostet hat, eine bessere Qualität hat als fast alles, was man heute kaufen kann. Aber wenn man dieses Hemd heute so produzieren möchte, und dafür muss man sehr wahrscheinlich nach Japan gehen, dann hat man letztlich etwas, das man für 300 Dollar verkaufen muss. Ich bin dann immer wieder Leuten begegnet, die sich mit der Anfertigung bestimmter Details auskannten. Und ich wusste, dass das, was ich trug, schon immer einige Aufmerksamkeit erregt hatte. Es gab Leute, die das haben wollten, was ich anhatte. Was ich kuratierte, wie Bigend sagen würde.«
    »Inzwischen kuratiert er Anzüge, die einem in den Augen wehtun.«
    »Er hat überhaupt keinen Geschmack, aber er tut so, als hätte er ihn operativ entfernen lassen, und zwar freiwillig. Vielleicht hat er das auch. Die Suche, auf die er mich da geschickt hat, hat mich mein einziges Talent gekostet, mit dem ich Geld verdienen konnte. Ich war auch so etwas wie eine Coolhunterin, bevor das so genannt wurde, aber heutzutage ist es schwer, jemanden zu finden, der das nicht ist. Ich vermute, dass er irgendwie dafür verantwortlich ist. Irgendeine globale Infektion.«
    »Und da haben Sie angefangen, Kleidung herzustellen? In Chicago?«
    »Wir haben Kinder bekommen.« Sie lächelte, blickte kurz auf das Display und fuhr mit den Fingerspitzen darüber. »Also hatte ich auch nicht besonders viel Zeit. Aber mein Mann hatte gut zu tun. Deshalb konnte ich es mir leisten, ein wenig zu experimentieren. Und dabei stellte ich fest, dass mir das eine Menge Spaß macht.«
    »Die Leute wollten die Sachen haben, die Sie produzierten.«
    »Anfangs machte mir das wirklich Angst. Ich wollte nur herausfinden, wie Dinge funktionierten, dabei lernen und sonst in Ruhe gelassen wenden. Aber dann fiel mir Hubertus wieder ein — seine Ideen, Dinge, die er getan hatte. Guerillamarketingstrategien. Seltsame Umkehrungen der Käuferlogik. Die japanische Idee von Geheimmarken. Die absichtliche Konstruktion von parallelen Mikroökonomien, wo Wissen wichtiger ist als Reichtum. Und so beschloss ich, eine Marke zu schaffen, aber eine geheime. Die Marke würde sich darüber definieren, dass sie geheim war. Keine Werbung. Überhaupt keine. Keine Presse. Keine Vorführungen. Ich würde das tun, was ich tun wollte, aber so heimlich wie nur möglich, um dem ganzen Unfug aus dem Weg zu gehen. Und es fiel mir nicht schwer, alles geheim zu halten. Das habe ich von meinem Vater.«
    »Anscheinend hat es funktioniert.«
    »Möglicherweise zu gut. Im Moment bin ich an einem Punkt, wo ich mich entweder auf eine andere Ebene begeben oder aufhören muss. Weiß er, dass ich es bin?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Ahnt er es?«
    »Wenn ja, versteckt er es ziemlich gut. Und im Moment konzentriert er sich auf eine Krise, die mit keinem von uns beiden etwas zu tun hat.«
    »Dann ist er ja wahrscheinlich ganz in seinem Element.«
    »Das war er. Jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher. Aber ich glaube nicht, dass er sich noch groß um Gabriel Hounds kümmert.«
    »Er wird schon bald wissen, dass ich es bin. Wir treten an die Öffentlichkeit. Es ist an der Zeit. Das Pop-up heute Abend ist ein Teil davon.«
    »Er wird trotzdem noch gefährlich sein.«
    »Genau das wollte ich Ihnen sagen. Als Mere mir von Ihnen erzählte, begriff ich, dass Sie bereits Ihre Erfahrungen mit Bigend gemacht haben, aber Sie haben sich davon nicht abschrecken lassen, zumal sie den Eindruck hatte, dass Sie ein anständiger Mensch sind.«
    »Das war so nicht geplant.«
    »Natürlich nicht. Er übt so eine furchtbare Anziehungskraft aus. Sie müssen sich weiter von ihm entfernen. Glauben Sie mir - ich weiß, wovon ich rede.«
    »Ich habe bereits entsprechende Schritte unternommen.«
    Die Frau musterte sie eingehend. »Ich glaube Ihnen. Und wünsche Ihnen viel Glück. Das Pop-up fängt gleich an, und ich muss Bo helfen, aber ich wollte mich persönlich bei Ihnen bedanken. Mere hat mir erzählt, was Sie getan haben, oder besser, was Sie nicht getan haben, und

Weitere Kostenlose Bücher