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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Vorstellung, dass er für etwas Verantwortung übernehmen sollte, ungewohnt war. Andere Leute taten Dinge, und Milgrim schaute ihnen dabei zu. Allerdings wurde er ja auch nur gebeten, etwas zu beobachten, obwohl er nicht wusste, was, und zwar durch die Kameras in dem Pinguin, und da war es, wie Fiona ihm nahegelegt hatte, das Beste, den Taser als willkürliches Add-on zu betrachten.
    In dem eingeschränkten Raum des Vegaswürfels war es schwieriger, den Pinguin zu lenken, als den Rochen die rhythmischen Salti schlagen zu lassen, aber mit der Zeit gelang ihm eine Rolle vorwärts, ohne dass der Ballon sich von der Stelle bewegte. Wenn er gegen die Wand stieß, würde Fiona das bemerken, und das wollte er nicht, also bemühte er sich, so vorsichtig wie möglich zu sein. Sie hatte ihm erklärt, die Robotertechnologie in den Flügeln sei sehr empfindlich, und ohne sie war der Pinguin hilflos. Eigentlich flog der Ballon gar nicht, ebenso wenig wie Pinguine dazu in der Lage sind — er schwamm einfach durch Luft statt durch Wasser, und wenn er sich erst einmal richtig in Bewegung gesetzt hatte, schwamm er wie von selbst. Milgrim achtete darauf, ja nie die Kontrolle zu verlieren. Am liebsten hätte er den Pinguin mit hinausgenommen und ihn fliegen lassen, so wie er es in Paris gesehen hatte, aber Fiona hatte gesagt, das sei nicht möglich, weil die Leute ihn dann vielleicht sahen und in Aufregung gerieten, und weil Garreth es ihr verboten hatte.
    Sich mit Fiona hier aufzuhalten, war großartig, fand Milgrim jedenfalls, aber allmählich empfand er etwas anderes als Furcht, wenn er sich an Hollis' gruselige Dusche erinnerte. »Es wäre toll, wenn es hier eine Dusche gäbe«, sagte er, ließ den Pinguin langsam abrollen, bis der Taser sich wieder unten befand, und hielt ihn dann an. Irgendetwas an diesem Spielzeug erfüllte ihn mit grenzenloser Befriedigung — vielleicht lag das an der Geschmeidigkeit seiner Bewegungen.
    »Gibt es doch«, sagte Fiona und blickte von seinem Ait hoch.
    »Tatsächlich?« Milgrim, der auf dem weißen Schaumstoff auf dem Rücken lag, suchte die weißen Wände ab und fragte sich, ob er eine Tür übersehen hatte.
    »Benny hat eine zusammengeschustert. Die Fahrer benutzen sie manchmal. Der Badeofen ist so ein altes Ding, in das man früher Münzen hineinwerfen musste. Ich könnte auch eine Dusche gebrauchen.«
    Milgrim war sich nicht nur seiner klebrigen Achselhöhlen bewusst, er merkte auch, was die Vorstellung von Fiona unter der Dusche mit ihm machte. »Dann geh du zuerst!«
    »Bennys Badeofen ist nicht besonders verlässlich«, sagte Fiona. »Wenn er erst einmal läuft, muss man das ausnutzen. Wir sollten zusammen duschen.«
    »Zusammen?«, sagte Milgrim mit einer Stimme, als befände er sich in Polizeigewahrsam. Und hustete.
    »Wir lassen das Licht aus«, sagte Fiona mit einem Gesichtsausdruck, den er nicht interpretieren konnte. »Ich soll dich nicht aus den Augen lassen. Hat er gesagt.«
    »Wer?«, fragte Milgrim, der seine eigene Stimme wiedergefunden hatte.
    »Garreth.« Sie trug ihre gepolsterte Hose, die sich um ihre Hüfte schmiegte, und ein enges weißes T-Shirt mit dem Schriftzug Rudge über einem runden schwarzen Emblem, das so groß war wie ein Essteller, und Coventry darunter. Zwischen diesen beiden Namen befand sich eine stilisierte Hand, die Handfläche dem Betrachter zugewandt, als wolle sie jeden warnen, ja die Finger von den kleinen, aber ins Auge stechenden Brüsten zu lassen.
    »Wenn du nichts dagegen hast«, sagte Milgrim.
    »Ich habe es vorgeschlagen, oder?«

71. Das hässliche T-Shirt
    »Wo steckst du? Robert hat gesagt, du wärst mit einer Frau weggegangen.«
    Sie verließ gerade zusammen mit Meredith und Clammy den Jeans-Laden. »Soho. Mit Meredith. Ich bin auf dem Rückweg.«
    »Ich hätte dir auch so ein Safeword geben sollen wie deinem Arbeitgeber.«
    »Nein. Alles okay.«
    »Mir war lieber, du würdest im Hotel bleiben.«
    »Es musste sein.«
    »Aber du kommst jetzt zurück?«
    »Ja. Bis gleich.«
    Sie hob den Blick von dem Telefon in ihrer Hand und betrachtete das von Kerzenschein schwach erleuchtete Schaufenster. Schatten von Menschen. Zwei weitere trafen gerade ein, und Bo öffnete ihnen. Meredith glaubte, die Mitherausgeberin der französischen Vogue gesehen zu haben. Clammy hatte mehrere andere Musiker ignoriert, die ein wenig älter waren als er und die Hollis bekannt vorkamen. Darüber hinaus waren das keine Leute, die sie für modebewusst gehalten hätte.

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