Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
die Schule des Häßlichen durchaus nicht mehr, indem er begriff, daß beim Menschen das Schöne nur eine schmeichelhafte Ausnahme, eine Chimäre bildet, an die zu glauben er sich müht.
Was für Gedanken, welche Sitten kann ein solches Wesen haben, woran denkt es? fragte sich Blondet, von Neugierde gepackt. Ist das meinesgleichen? Wir haben nur die Form gemeinsam und doch! ...
Er studierte die Starrheit, die dem Gewebe der Leute eigen ist, die in der freien Luft leben, an die Unbilden der Atmosphäre gewöhnt sind und das Uebermaß von Kälte und Hitze ertragen, kurz, alles aushalten können, was aus ihrer Haut ein beinahe gegerbtes Leder macht und aus ihren Nerven ein beinahe ebenso mächtiges Rüstzeug gegen den physischen Schmerz wie bei den Arabern oder Russen.
Das sind die Cooperschen Rothäute, sagte er sich, man braucht wirklich nicht nach Amerika zu gehen, um Wilde zu sehen.
Obwohl der Pariser nur zwei Schritte entfernt war, drehte der Alte den Kopf nicht um und blickte stets mit jener Beständigkeit, welche die Fakire Indiens ihren verglasten Augen und ihren steifgewordenen Gliedern geben, nach dem entgegengesetzten Ufer. Ueberwältigt von dieser Art von Magnetismus, der übertragbarer ist als man denkt, blickte Blondet schließlich auf das Wasser.
»Nun, lieber Mann, was gibt's denn da?« fragte Blondet nach einer guten Viertelstunde, während welcher er nichts bemerkte, was diese tiefe Aufmerksamkeit motiviere.
»Pst!« sagte ganz leise der Alte, indem er Blondet ein Zeichen gab, die Luft nicht durch seine Stimme zu erregen; »Sie werden sie erschrecken ...«
»Wen?«
»Ein Ottertier, mein lieber Herr. Wenn es uns hört, ist es imstande und geht unterm Wasser davon! Dort ist es hineingesprungen, sehn Sie, dort, wo das Wasser brodelt ... Oh, es belauert einen Fisch; wenn es aber in den Bau fahren will, wird es mein Kleiner packen. Das ist, sehen Sie, weil es nichts Selteneres als Ottern gibt. Das ist ein wissenschaftliches Wild, sehr wohlschmeckend obendrein; man wird es mir in Les Aigues mit zehn Franken bezahlen, vorausgesetzt, daß Ihre Dame fastet und morgen ist Fasttag. In den Zeiten der verstorbenen Madame hat man mir bis zu zwanzig Franken dafür bezahlt, und sie hat mir das Fell zurückgegeben! ... Mouche,« rief er mit leiser Stimme, »paß gut auf!«
Auf der anderen Seite dieses Avonnearms sah Blondet zwei Augen, die wie Katzenaugen funkelten, unter einem Erlengebüsch; dann bemerkte er die braune Stirn, die zerzausten Haare eines etwa zwölfjährigen auf dem Bauche liegenden Knaben, der ein Zeichen machte, um dem Alten die Otter zu zeigen und anzudeuten, daß er sie nicht aus den Augen verlöre. Von der verzehrenden Hoffnung des Greises und des Kindes mitgerissen, ließ Blondet sich, von dem Dämon der Jagd packen.
Dieser Dämon mit zwei Fängen: die Hoffnung und die Neugierde, führt euch, wohin er will.
»Das Fell verkauft man an die Hutmacher,« fuhr der Alte fort. »Es ist so schön, so weich! Es eignet sich zu Kappen ...«
»Meint Ihr, Alter?« fragte Blondet lächelnd.
»Wahrlich, mein Herr; Sie müssen das ja besser verstehen als ich, ob ich schon siebzig Jahre alt bin,« antwortete bescheiden und ehrerbietig der Alte, indem er sich eine Pose gab, wie wenn er Weihwasser darreichen wollte, »und Sie könnten mir vielleicht gut sagen, warum das den Schaffnern und Weinhändlern so sehr gefällt?«
Blondet, dieser Meister der Ironie, durch das Wort: »wissenschaftlich« in Erinnerung an den Marschall de Richelieu bereits mißtrauisch gemacht, vermutete bei dem alten Bauern irgendwelchen Spott, wurde aber durch die Naivität der Pose und die Dummheit des Ausdrucks aus seinem Irrtum gerissen.
»In meiner Jugend sah man hier sehr viele Ottern, das Land ist so günstig für sie,« fuhr der Biedermann fort, »aber man hat ihnen so nachgestellt, daß wir höchstens alle sieben Jahre den Schwanz von einer zu sehen kriegen ... Auch der Unterpräfekt von Ville-aux-Fayes ... Der Herr kennt ihn ... Obwohl Pariser, ist er ein braver Mann wie Sie und liebt die Seltenheiten. Da er von meiner Gabe, Ottern zu fangen, weiß, denn ich kenne sie, wie Sie Ihr Alphabet kennen mögen, hat er neulich etwa folgendermaßen zu mir gesprochen: ›Wenn Sie, Vater Fourchon, eine Otter finden sollten, so bringen Sie sie mir ja,‹ hat er gesagt, ›ich will sie Ihnen gut bezahlen; und wenn sie weiß gezeichnet ist auf dem Rücken,‹ hat er gesagt, ›will ich Ihnen dreißig Franken dafür geben.‹ Daß er
Weitere Kostenlose Bücher