Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
beherrschen, ohne daß es so aussah, indem er sich zwischen die beiden Fenster stellte; durch eins von ihnen konnte er, wenn er den Kopf vorbeugte, die Personen sehen, die Bewegungen studieren, und dabei die derben Worte auffangen, die an den Scheiben widerhallten und dank der Stille draußen vernehmlich wurden.
»Und wenn ich Vater Rigou sage, daß dein Bruder Nicolas der Péchina zu Leibe will,« rief eine scharfe Stimme, »daß er sie stündlich belauert, könnte er euch die Eingeweide in Brei verwandeln, euch allen, wie ihr da seid, ihr Lumpenpack aus dem ›Grand-I-Vert‹.«
»Wenn du uns solch einen Streich spielst, Aglaé,« antwortete Marie Tonsards kreischende Stimme, »solltest du den, den ich dir spielen würde, nur den Würmern deines Sarges erzählen können! Mische dich weder in Nicolas' Angelegenheiten noch in die meinigen mit Bonnébault!«
Die von ihrer Großmutter aufgereizte Marie war, wie man sieht, Bonnébault gefolgt, hatte, indem sie, ihn belauschend, durch das Fenster, wo in diesem Moment Rigou stand, gesehen, wie er seine Reize zur Schau stellte und Mademoiselle Socquard so angenehme Schmeicheleien sagte, daß sie sich verpflichtet fühlte, ihm zuzulächeln. Das Lächeln hatte die Szene hervorgerufen, in deren Verlauf die für Rigou recht wertvolle Enthüllung herausgeschmettert wurde.
»Nun, Vater Rigou, Sie setzen meine Besitzungen herab,« sagte Socquard, den Wucherer auf die Schulter schlagend.
Der Cafétier, der aus einem am Ende seines Gartens liegenden Schuppen kam, wo man mehrere Volksbelustigungsgeräte, wie Schlagbalken, Pferde zum Ringstechen, gefährliche Schaukeln usw. unterbrachte, die er auf den Plätzen aufstellen wollte, welche sie in seinem Tivoli inne hatten, hatte sich geräuschlos genähert; denn er trug jene gelbledernen Pantoffeln, die infolge ihres niedrigen Preises in der Provinz in beträchtlichen Mengen abgesetzt werden.
»Wenn Sie frische Zitronen hätten, würd' ich mir eine Limonade machen,« antwortete Rigou, »der Abend ist heiß.«
»Aber wer kreischt denn da so?« fragte Socquard, der durchs Fenster blickte und seine Tochter mit Marie sich herumzanken sah.
»Man macht sich Bonnébault streitig,« erwiderte Rigou mit sardonischer Miene.
Socquards väterlicher Zorn wurde durch das Interesse des Kaffeehausbesitzers niedergehalten. Der Cafétier hielt es für klug, draußen zu horchen, wie es Rigou tat, während der Vater hineingehen und erklären wollte, daß Bonnébault, der voll schätzbarer Eigenschaften in den Augen eines Kaffeehausbesitzers sei, als Schwiegersohn eines der angesehenen Soulanger Bürger keine Vorzüge besitze. Und doch erhielt Vater Socquard wenig Heiratsanträge. Mit zweiundzwanzig Jahren machte seine Tochter sowohl an Breite, Dicke und Gewicht Madame Vermichel Konkurrenz, deren Behendigkeit als ein Phänomen erschien. Die Gewohnheit, an der Kasse zu sitzen, kam der Anlage zum Starkwerden, die Aglaé dem väterlichen Blute verdankte, noch entgegen.
»Von welchem Teufel sind die Mädchen denn besessen?« fragte Vater Socquard Rigou.
»Ach,« entgegnete der ehemalige Benediktiner, »von dem, den die Kirche von allen Teufeln am häufigsten gepackt hat.«
Statt jeder Antwort fing Socquard an auf den Malereien zwischen den Fenstern die Billardqueues zu mustern, deren Vereinigungsstelle infolge des durch die Hand der Zeit abgeblätterten Mörtels schwierig zu erkennen war.
In diesem Augenblick kam Bonnébault vom Billard, eine Queue in der Hand, versetzte Marie damit einen derben Stoß und sagte:
»Du bist schuld, daß ich einen Fehlstoß gemacht habe; dich aber werd' ich nicht verfehlen und solange fortfahren, bis du deiner Klappe einen Dämpfer aufgesetzt hast.«
Socquard und Rigou, die es für besser hielten, dazwischenzutreten, kamen vom Platz aus ins Café und machten eine so große Fliegenwolke aufschwirren, daß das Tageslicht dadurch verdunkelt wurde. Das Geräusch ähnelte den fernen Uebungen einer Trommlerschule. Nach ihrem anfänglichen Erschrecken nahmen diese dicken Fliegen mit bläulichem Leibe, nebst den kleinen Stechfliegen und einigen Pferdebremsen ihren Platz an den Fensterscheiben wieder ein, wo auf drei Reihen eines Gestells, dessen Bemalung unter ihren schwarzen Punkten verschwunden war, klebrige Flaschen in Reih und Glied standen.
Marie weinte. Vor ihrer Rivalin von einem geliebten Manne geschlagen zu werden, ist eine jener Demütigungen, die kein Weib erträgt, auf welcher Stufe der sozialen Leiter sie auch
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