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Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Titel: Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Menschenverstandes,« sagte Rigou, der seine Limonade bezahlte und das ekelhafte Café verließ, als er seinen Wagen sah, den Vater Socquard vor die Tür gebracht hatte.
    Als Vater Rigou sein Gespann besteigen wollte, erblickte er den Pharmazeuten und rief ihn mit einem »He, Monsieur Vermut!« an. Den reichen Kauz erkennend, beschleunigte Vermut seinen Schritt; Rigou kam auf ihn zu und sagte ihm ins Ohr:
    »Glauben Sie, daß es Reagentia gibt, die das Hautgewebe so zerstören können, daß sie ein wirkliches Leiden wie ein Nagelgeschwür am Finger hervorrufen?«
    »Wenn Monsieur Gourdon sich damit befassen will, ja,« antwortete der weise kleine Mann.
    »Vermut, kein Wort davon, oder wir sind geschiedene Leute. Reden Sie aber mit Monsieur Gourdon darüber und sagen Sie ihm, er solle mich übermorgen besuchen; ich werd' ihm die ziemlich heikle Operation, einen Zeigefinger abzuschneiden, verschaffen.« Dann ließ der ehemalige Bürgermeister den kleinen Pharmazeuten verdutzt stehen und stieg in seinen Wagen an Marie Tonsards Seite.
    »Nun, kleine Viper,« sagte er zu ihr, sie beim Arme greifend, als er die Zügel seines Tieres in einem Ringe auf der Vorderseite des Schutzleders, das seinen Wagen schloß, festgemacht hatte und sein Pferd seinen gewohnten Gang ging; »glaubst du denn, daß du dir Bonnébault erhalten wirst, wenn du dich zu solchen Gewalttätigkeiten hinreißen läßt? ... Wenn du klug wärest, würdest du seine Heirat mit dieser dicken, dummen Tonne begünstigen, und dann könntest du dich rächen.«
    Marie konnte nicht umhin, zu lächeln, als sie antwortete: »Ach, wie schlimm Sie sind. Sie sind wahrhaftig uns allen überlegen!«
    »Hör«, Marie, ich liebe die Bauern, niemand aber von euch darf sich zwischen meine Zähne und einen Bissen Wildpret stellen ... Dein Bruder Nicolas stellt, wie Aglaé gesagt hat, der Péchina nach. Das tut nicht gut; denn ich beschütze das Kind; sie soll dreißigtausend Franken von mir erben und ich will sie gut verheiraten. Ich hab' erfahren, daß Nicolas, von deiner Schwester Cathérine unterstützt, die arme Kleine heute früh beinahe getötet hat. Du wirst ja deinen Bruder und deine Schwester sehen, sag' ihnen folgendes: ›Wenn ihr die Péchina in Frieden laßt, wird Vater Rigou Nicolas vor der Aushebung bewahren‹ ...«
    »Sie sind der Teufel in Person,« rief Marie; »man erzählt, Sie hätten einen Pakt mit ihm geschlossen ... Ist das möglich?«
    »Ja,« erwiderte Rigou ernst.
    »Man erzählte es uns in den Spinnstuben, aber ich glaubt' es nicht!«
    »Er hat mir gewährleistet, daß jedes gegen mich gerichtete Attentat mich nicht treffen, daß ich niemals bestohlen werden, daß ich hundert Jahre leben, daß ich in allem Erfolg haben und daß ich bis zu meiner Todesstunde jung wie ein zweijähriger Hahn bleiben soll.«
    »Das sieht man ja,« sagte Marie. »Nun, da fällt's Ihnen ja ›verteufelt‹ leicht, meinen Bruder vor der Aushebung zu bewahren.«
    »Wenn er es will; denn er muß dabei einen Finger lassen, das ist alles,« fuhr Rigou fort; »ich werd' ihm sagen wie!«
    »Halt, Sie nehmen den Höhenweg?« fragte Marie.
    »Nachts fahre ich hier unten nicht,« antwortete der alte Mönch.
    »Des Kreuzes wegen?« fragte Marie naiv.
    »Just deswegen, Schlaubergerin!« antwortete der Teuflische.
    Sie waren an einer Stelle angelangt, wo die Kantonalstraße in eine schwache Bodenerhöhung eingeschnitten ist. Dieser Einschnitt hat zwei ziemlich steile Böschungen, wie man sie bei so vielen Wegen in Frankreich sieht.
    Am Ende dieses Hohlwegs von hundert Schritt Länge bilden die Straßen nach Ronquerolles und Cerneux einen Hohlweg, wo ein Kreuz aufgerichtet ist. Von einer oder der anderen Böschung aus kann ein Mensch einem Vorübergehenden aufpassen und ihn beinahe aus nächster Nähe mit um so größerer Leichtigkeit töten, als ein Bösewicht, da die Höhe mit Weingärten bedeckt ist, sich ohne weiteres in den Brombeersträuchern, die zufällig dort vorhanden sind, in Hinterhalt legen kann. Man errät, warum der immer vorsichtige Wucherer niemals nachts dort vorbeifuhr; die Thune aber umfließt den kleinen, »Kreuzberg« genannten Hügel. Kein Platz war günstiger für einen Racheakt oder einen Mord; denn die Straße nach Ronquerolles trifft wieder auf die über die Avonne gebaute Brücke vor dem Jagdpavillon, und der Weg nach Cerneux führte jenseits der Regierungsstraße, so daß der Mörder zwischen den Wegen nach Les Aigues, Ville-aux-Fayes, Ronquerolles und

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