Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
Zucker ausgeschaltet. Punsch war eine große Leckerei, ebenso Mandelmilch und Fruchtsaftgetränke. Diese Präparate wurden aus einer zuckerigen, sirupartigen, melasseähnlichen Materie hergestellt, deren Name verloren gegangen ist, die ihrem Erfinder aber damals ein Vermögen einbrachte.
Diese kurzen Einzelheiten werden im Gedächtnis der Reisenden ihre Analogien wach rufen; und wer Paris nie verlassen hat, wird sich auch die rauchgeschwärzte Decke des ›Café de la Paix‹ ungefähr vorstellen können und seine durch Milliarden brauner Punkte beschmutzten Spiegel, die beweisen, in welcher Unabhängigkeit die Klasse der Zweiflügler dort lebt.
Die schöne Madame Socquard, deren galante Abenteuer die der Tonsard vom ›Grand-I-Vert‹ noch übertrafen, hatte dort, nach der neuesten Mode gekleidet, gethront; sie hatte eine leidenschaftliche Vorliebe für den Sultaninnenturban. Die ›Sultanin‹ hat sich in der Kaiserzeit der Beliebtheit erfreut, die man heute dem ›Engel‹ zollt.
Das ganze Tal strömte ehedem herbei, um sich dort die Turbane, die Schirmhüte, die Pelzhauben, die chinesischen Frisuren der schönen Kaffeehausbesitzerin zum Muster zu nehmen, zu deren Luxus die Haupthähne von Soulanges beitrugen. Madame Socquard, die ihren Gürtel auf dem Sonnenplexus trug, wie ihn unsere, auf ihre majestätische Anmut so stolzen Mütter getragen haben, war die Schöpferin des Hauses Socquard; ihr Gatte verdankte ihr den Besitz eines eingezäunten Weinberges, des Hauses, das er bewohnte, und des Tivoli. Monsieur Lupins Vater, hieß es, hatte der schönen Junie (sie nannte sich Junie!) Socquard wegen dumme Streiche begangen; Gaubertin, der sie ihm ausgespannt hatte, verdankte ihr sicherlich den kleinen Bournier.
Diese Einzelheiten und das geheime Verfahren, nach dem Socquard seinen gekochten Wein fabrizierte, machen schon begreiflich, warum sein Name und das »Café de la Paix« volkstümlich geworden war; doch vermehrten dies Renommee noch viele andere Gründe. Bei Tonsard und in allen anderen Kneipen des Tales bekam man nur Wein, während Socquards Café von Conches bis Ville-aux-Fayes in einem Umkreise von sechs Meilen das einzige war, wo man Billard spielen und jenen Punsch trinken konnte, den der Bourgeois des Orts so wunderbar zubereitete. Dort allein sah man fremde Weine, feine Liköre und Früchte in Branntwein ausgestellt.
Dieser Name hallte daher fast tagtäglich im Tale wider, begleitet von Vorstellungen von erlesener Wonne, wie sie Leute sich machen, deren Magen gefühlvoller ist als das Herz. Zu diesen Gründen kam noch das Privilegium, ein wesentlicher Bestandteil des Soulanger Festes zu sein. Im Range unmittelbar überlegen, bedeutete das »Café de la Paix« endlich für die Stadt, was die Schenke zum »Grand-I-Vert« fürs Land bedeutete. Ein Giftspeicher war es, der als Durchgangsstation des Klatsches zwischen Ville-aux-Fayes und dem Tale diente. Das »Grand-I-Vert« lieferte dem »Café de la Paix« Milch und Sahne, und Tonsards beide Töchter standen in täglicher Verbindung mit dem Etablissement.
Für Socquard bildete der Marktplatz von Soulanges ein Anhängsel an sein Café. Der Herkules ging, mit jedem schwatzend, von Tür zu Tür und trug im Sommer nach dem Brauche der Kaffeehausbesitzer kleiner Städte nur ein Beinkleid und eine kaum zugeknöpfte Weste. Von den Leuten, mit denen er plauderte, wurde er benachrichtigt, wenn jemand in sein Etablissement ging, wohin er dann langsam und wie mit Bedauern zurückschritt.
Diese Einzelheiten müssen die Pariser, die ihren Stadtteil nie verlassen haben, von der Schwierigkeit, sagen wir lieber Unmöglichkeit, überzeugen, im Tale der Avonne von Conches bis Ville-aux-Fayes das Allergeringste zu verheimlichen. Auf dem Lande gibt es keine Unterbrechung des Zusammenhanges; es finden sich dort in gewissen Abständen Schenken zum »Grand-I-Vert«, »Café de la Paix«, die als Echo dienen, und wo die gleichgültigsten Handlungen, die in der größtmöglichen Heimlichkeit vor sich gegangen sind, durch eine Art Zauberei Widerhall finden. Der von Mund zu Mund getragene Klatsch erfüllt den Dienst der elektrischen Telegraphie; so vollzieht sich das Wunder der über ungeheure Strecken in einem Augenblick übermittelten Nachrichten von Unglücksfällen.
Nachdem Rigou sein Pferd angehalten hatte, stieg er von seinem Wagen herab und knüpfte die Zügel an einen der Türpfosten des Tivoli. Dann fand er den natürlichsten Vorwand, um die Unterhaltung zu
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