Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
ja noch gar nicht gesehen, Gevatter. Wo haben Sie die aufgegabelt?« flüsterte der alte Benediktiner Soudry ins Ohr.
»Sie ist wie der Schinken,« antwortete der Gendarm und blinzelte abermals; »ich hab' sie seit acht Tagen.«
Jeannette, noch in der Nachthaube, in kurzem Rock, die nackten Füße in Pantoffeln, hatte das wie ein Mieder gemachte Jäckchen nach der Mode der bäuerlichen Klasse angelegt, über das sie kreuzweise ein Seidentüchlein gebunden hatte, welches ihre jugendlichen und frischen Reize nicht gänzlich verbarg, und schien nicht minder appetitlich als der von Soudry gerühmte Schinken. Klein, drall wie sie war, ließ sie ihre nackten, rosigen Arme sehen, an deren Enden große Hände mit Grübchen, mit kurzen und an den Spitzen gut geformten Fingern volle Gesundheit anzeigten. Es war das echte rote, aber an Schläfen, Hals und Ohren weiße burgundische Gesicht. Kastanienbraune Haare, die Augenwinkel nach dem oberen Ohrende hin hochgezogen, offene Nasenlöcher, ein sinnlicher Mund, längs den Wangen ein bißchen Flaumhaar, dann ein lebhafter Ausdruck, der durch eine bescheidene und scheinheilige Haltung gemäßigt wurde, all das machte aus ihr das Vorbild einer schelmischen Magd.
»Auf Ehre, Jeannette gleicht dem Schinken,« sagte Rigou. »Wenn ich nicht eine Annette hätte, möcht' ich eine Jeannette haben!«
»Die eine ist die andere wert,« sagte der Exgendarm, »denn Ihre Annette ist sanft, blond, zart ... Wie geht's Madame Rigou? ... Schläft sie? ...« fuhr Soudry plötzlich fort, um Rigou merken zu lassen, daß er seinen Spaß verstanden habe.
»Sie ist mit unserm Hahn aufgewacht,« antwortete Rigou, »legt sich aber mit den Hühnern zu Bett. Ich, ich bleibe auf und lese den ›Constitutionnel‹. Abends und morgens läßt meine Frau mich schlafen, nicht um eine Welt würde sie zu mir hereinkommen ...«
»Hier ist alles ganz das Gegenteil,« antwortete Jeannette; »Madame bleibt mit den Herrn aus der Stadt beim Spiel sitzen; manchmal sind sie zu fünfzehn im Salon; Monsieur geht um acht Uhr zu Bett, und wir stehen mit dem Tage auf ...«
»Das scheint euch verschieden,« sagte Rigou, »im Grunde aber ist's dasselbe. Nun, mein schönes Kind, kommt zu mir, ich werd' Annette hierherschicken, das wird das gleiche und doch wieder anders sein.«
»Alter Schelm,« sagte Soudry, »du machst sie schamrot ...«
»Wie, Gendarm! willst du nur ein Pferd in deinem Stalle haben? ... Nun wohl, jeder nimmt sein Glück, wo er's findet.«
Auf Befehl ihres Herrn ging Jeannette, um seine Toilette vorzubereiten.
»Du hast ihr wohl versprochen, sie nach deines Weibes Tode zu heiraten?« fragte Rigou.
»In unserem Alter,« antwortete der Gendarm, »bleibt uns nur noch dieses Mittel übrig ...«
»Bei ehrgeizigen Mädchen würde das ein Mittel sein, prompt Witwer zu werden ...« erwiderte Rigou, »besonders, wenn Madame Soudry vor Jeannette von ihrer Methode, die Treppen einzuseifen, spräche!«
Dies Wort stimmte die beiden Ehemänner nachdenklich. Als Jeannette kam und meldete, daß alles bereit sei, sagte Soudry zu ihr ein: »Komm, hilf mir,« das dem ehemaligen Benediktiner ein Lächeln ablockte.
»Da ist noch ein Unterschied,« sagte er, »ich würd' dich ohne Sorge mit Annette allein lassen, Gevatter...«
Eine Viertelstunde später stieg Soudry in Gala in den Korbwagen, und die beiden Freunde umfuhren den Soulanger See, um nach Ville-aux-Fayes zu gelangen.
»Und das Schloß dort? ...« fragte Rigou, als man die Stelle erreichte, von wo aus man das Schloß in Seitenansicht sah.
Der alte Revolutionär legte auf dies Wort eine Betonung, aus welcher der Haß sprach, den die ländlichen Bourgeois gegen die großen Schlösser und grossen Güter hegen.
»Solange ich lebe, hoffe ich aber sehr, es aufrecht zu sehen,« erwiderte der alte Gendarm. »Der Graf von Soulanges ist mein General gewesen; er hat mir einen Dienst geleistet, hat mir meine Pension sehr gut geregelt; und dann läßt er sein Land von Lupin verwalten, dessen Vater dort sein Vermögen erworben hat. Nach Lupin wird's ein anderer sein, und so lange es dort Soulanges gibt, wird man das respektieren ... Das sind brave Leute, sie gönnen jedem seine Ernte und befinden sich wohl dabei ...«
»Ach, der General hat drei Kinder, die bei seinem Tode vielleicht nicht fertig miteinander werden; der Gatte seiner Tochter und seine Söhne werden es eines schönen Tages versteigern und verdienen tüchtig am Verkaufe der Blei- und Eisengrube an reiche
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