Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
Briefe an Nathan beschriebener Luxus sich übertroffen hatte.
»Das wäre jammerschade, einen solchen Aufenthalt aufgeben zu müssen,« sagte der Gendarmerieleutnant, der noch nie nach Les Aigues gekommen war, dem man alles gezeigt hatte, und der, durch einen Champagnerkelch blinzelnd, die wundervolle Lebendigkeit der nackten Nymphen bemerkt hatte, welche den Schleier des Plafonds hielten.
»Wir werden uns auch bis zum Tode verteidigen,« erklärte Blondet.
»Wenn ich das sage,« fuhr der Leutnant fort, seinen Unteroffizier anblickend, wie um ihm Stillschweigen anzubefehlen, »so tue ich es, weil des Generals Feinde nicht alle auf dem Lande wohnen...«
Der gute Leutnant war durch den Glanz des Frühstücks, durch das kostbare Geschirr, den kaiserlichen Luxus, der den Luxus des Opernmädchens ersetzte, gerührt, und Blondet hatte geistreiche Aeußerungen getan, die ihn eben so sehr anregten, wie die ritterlichen Toaste, die er ausbrachte.
»Wie kann ich Feinde haben?« fragte der General erstaunt.
»Er... der so gut ist...« fügte die Gräfin hinzu.
»Er ist mit unserem Bürgermeister, Monsieur Gaubertin, nicht gut auseinander gekommen und um hier in Ruhe zu hausen, müßte er sich mit ihm aussöhnen.«
»Mit ihm?« rief der General, »Sie wissen also nicht, daß mein ehemaliger Verwalter ein Spitzbube ist?«
»Er ist kein Spitzbube mehr,« erwiderte der Leutnant, »er ist der Bürgermeister von Ville-aux-Fayes.«
»Unser Leutnant hat Geist,« sagte Blondet, »es ist klar, daß ein Bürgermeister vor allem ein Ehrenmann ist.«
Als der Leutnant aus der Bemerkung des Grafen erkannte, daß es unmöglich war, ihn aufzuklären, setzte er die Unterhaltung über diesen Gegenstand nicht fort.
VI
Der Wald und die Ernte
Die Szene in Conches hatte eine gute Wirkung erzielt, und des Grafen treue Wächter wachten ihrerseits darüber, daß man nur abgestorbenes Holz aus dem Walde von Les Aigues holte. Doch seit zwanzig Jahren war dieser Wald von den Bewohnern so gut ausgebeutet worden, daß es dort nur noch grünes Holz gab, und sie beschäftigten sich damit, es zum Winter durch sehr einfache Maßnahmen, die erst lange Zeit später entdeckt werden konnten, zum Absterben zu bringen. Tonsard schickte seine Mutter in den Wald; der Wächter sah sie hineingehen. Er wußte, wo sie herauskommen mußte und lauerte ihr dort auf, um ihr Bündel zu durchsuchen. Tatsächlich fand er sie da mit trockenem Reisig, morschen Aesten und abgebrochenen und geknickten trockenen Zweigen beladen. Und sie jammerte und beklagte sich, bei ihrem Alter soweit haben laufen zu müssen, um ein so elendes Bündel zusammenzulesen. Was sie aber nicht sagte, war, daß sie im dichtesten Dickicht gewesen war, daß sie den Stamm eines jungen Baumes freigelegt und seine Rinde an der Stelle, wo er aus der Wurzel wächst, ringsherum ringförmig losgelöst hatte; dann hatte sie Moos und Blätter, alles, wieder in Ordnung gebracht. Unmöglich konnte man diesen ringförmigen Einschnitt entdecken, der nicht mit dem Messer sondern durch einen Riß hergestellt schien, welcher dem von jenen Nagern und Zerstörern hervorgerufenen glich, die je nach den Landstrichen Türken, Engerlinge, weiße Maden genannt werden und der erste Entwicklungszustand des Maikäfers sind. Dieser Wurm liebt die Baumrinden, dringt zwischen Rinde und Splint ein und frißt sich um den Baum herum. Wenn der Baum stark genug ist, daß der Wurm zu seiner zweiten Metamorphose übergeht, zu seiner Larve, in der er bis zu seiner zweiten Wiedererweckung eingeschlafen ruht, so ist der Baum gerettet; denn so lange für den Saft eine mit Rinde bedeckte Stelle am Baume bleibt, wird er weiter wachsen. Um zu wissen, bis zu welchen Punkte die Entomologie mit der Agrikultur, der Hortikultur und allen Produkten der Erde in Verbindung steht, genügt es zu sagen, daß die großen Naturwissenschaftler wie Latreille, Graf Dejean, Klug in Berlin, Gené in Turin usw. zu der Erkenntnis gelangt sind, daß der größte Teil der bekannten Insekten sich auf Kosten der Vegetation ernährt; daß die Koleopteren, deren Katalog von Dejean veröffentlicht wurde, darin mit siebenundzwanzigtausend Arten vertreten sind, und daß es trotz der eifrigsten Nachforschungen der Entomologen aller Länder eine ungeheure Menge von Arten gibt, deren dreifache alle Insekten kennzeichnende Verwandlung man nicht kennt; daß nicht nur jede Pflanze ihr besonderes Insekt hat, sondern auch jedes irdische Produkt, welche Wandlungen es auch dank
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