Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
gebrechlichsten alten Leute schleppen sich hin; und wer etwas besitzt, heuchelt natürlich Bedürftigkeit. Zum Stoppeln geht man in Lumpen. Der Graf und Michaud wohnten zu Pferde dem ersten Eindringen dieser Lumpenwelt in die ersten Felder des ersten Vorwerks bei. Es war zehn Uhr morgens; der August war heiß, der Himmel wolkenlos und blau wie eine Pervinca. Die Erde brannte, die Getreidefelder flimmerten, die Schnitter arbeiteten mit einem von dem Reflektieren der Strahlen durch ein verhärtetes und klingendes Erdreich wie gekochten Gesicht. Alle stumm, mit verschwitztem Hemd, tranken sie Wasser aus den Steingutkrügen, die rund wie ein Brot, mit zwei Henkeln und einer plumpen trichterförmigen, mit einem Stöpsel aus Weidenholz verschlossenen Oeffnung versehen sind.
Am Ende der gemähten Felder, wo die Wagen standen, auf welche die Garben geladen wurden, sah man etwa hundert Kreaturen, welche die häßlichsten Schöpfungen, die Murillos und Teniers Pinsel, die kühnsten auf diesem Gebiete, und die Gestalten Callots, dieses meisterhaften Schilderers des Elends, geschaffen haben, weit hinter sich ließen. Ihre Bronzebeine, ihre Glatzköpfe, Ihre ausgefransten Lumpen, ihre so merkwürdig abgetönten Farben, die fettigen Löcher, gestopften Stellen, aufgesetzten Flecken, verblichenen Stoffe, die Fadenscheinigkeit ihrer Kleider, kurz ihr Ideal der materiellen Erscheinung des Unglücks war übertroffen worden; ebenso hatten die gierigen, unruhigen, blödsinnigen, idiotischen, wilden Züge der Gesichter vor den unsterblichen Kompositionen dieser Fürsten der Farbe den ewigen Vorteil voraus, den die Natur vor der Kunst bewahrt. Es gab da alte Weiber mit einem Puterhals, mit roten enthaarten Wimpern, welche den Kopf vorgestreckt hielten wie Hühnerhunde, wenn sie ein Rebhuhn wittern; Kinder, schweigsam wie Soldaten unter den Waffen, und kleine Mädchen, die wie Tiere trappelten, die auf ihr Futter warten. Die Eigenart der Kindheit und des Alters waren durch eine wilde Begehrlichkeit verwischt: durch das Verlangen nach dem Gute anderer, das durch Mißbrauch ihr Gut wurde. Alle diese Augen glühten, die Bewegungen waren drohend, doch alle verhielten sich in Anwesenheit des Grafen, des Waldhüters und des Hauptwächters schweigend. Der Großgrundbesitz, die Pächter, die Arbeiter und die Armen waren dort vertreten, die soziale Frage trat dort deutlich in Erscheinung, denn der Hunger hatte diese herausfordernden Gesichter zusammengerufen ... Die Sonne hob all die harten Züge und die tiefliegenden Teile der Gesichter reliefartig hervor und verbrannte die nackten und staubschmutzigen Füße. Es gab da Kinder ohne Hemd, die kaum mit einer zerrissenen Bluse bedeckt waren. Ihre blonden Locken waren voll Stroh, Heu und Holzstückchen; einige Weiber hielten ganz kleine Würmer an der Hand, die eben zu gehen anfingen und die man in Furchen sich herumkugeln zu lassen im Begriff war.
Dies düstre Gemälde wirkte auf einen alten Soldaten, der ein gutes Herz hatte, herzzerreißend; der General sagte zu Michaud:
»Das zu sehen, tut mir weh. Man muß sich der Wichtigkeit dieser Maßnahmen bewußt sein, um darauf zu bestehen.«
»Wenn jeder Grundbesitzer Sie nachahmte, auf seinen Besitzungen bliebe und dort Gutes täte, wie Sie's auf Ihren tun, mein General, würde es dort, ich will nicht sagen, keine Armen mehr geben, denn die werden immer da sein, aber es würde kein Wesen mehr existieren, das nicht von seiner Arbeit leben könnte.«
»Die Bürgermeister von Conches, Cerneux und Soulanges haben uns ihre Armen geschickt,« sagte Groison, der die Zeugnisse geprüft hatte, »das sollte nicht sein!«
»Nein, aber unsere Armen werden auch in die Gemeinden gehen,« sagte der General, »für dieses Mal genügt's, durchgesetzt zu haben, daß man nicht noch Garben obendrein nimmt; man muß schrittweise vorgehen,« sagte er im Wegreiten.
»Habt Ihr's gehört?« fragte die alte Tonsard zur alten Bonnébault; denn das letzte Wort des Grafen war lauter als das übrige gesagt worden und fiel einem jener beiden Weiber ins Ohr, die auf dem Wege standen, der sich längs dem Felde hinzog.
»Ja, das ist noch nicht alles; heute ein Zahn, morgen ein Ohr; wenn sie eine Tunke erfinden könnten, um unsere Kaldaunen wie die der Kälber zu fressen, würden sie Christenfleisch fressen!« sagte die alte Bonnébault, die dem Grafen, als er vorüberkam, ihr drohendes Profil zeigte, dem sie jedoch alsbald durch einen honigsüßen Blick und eine süßliche
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