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Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Titel: Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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bezogenen Bänken ausgestattet war.
    Dorthin brachte eines Morgens vor der Ernte die alte Tonsard ihre Enkelin Cathérine, die, wie sie sagte, ein für die Ehre einer armen, aber ehrenwerten Familie schreckliches Geständnis zu machen habe. Während sie redete, nahm Cathérine eine schuldbewußte Haltung ein; sie sprach von der »Verlegenheit«, in der sie sich befände und die sie nur ihrer Großmutter anvertraut habe: ihre Mutter würde sie fortjagen und ihr Vater, ein Ehrenmann, sie töten. Wenn sie nur tausend Franken hätte, würde sie von einem armen Arbeiter namens Godain geheiratet werden, der alles wisse und sie wie ein Bruder liebe; er würde ein schlechtes Stück Land kaufen und sich dort eine Hütte bauen. Das war rührend. Die Gräfin versprach dieser Heirat die nötige Summe zu opfern. Michauds und Groisons glückliche Heiraten waren darnach angetan, sie zu ermutigen. Diese Heirat würde ein gutes Beispiel für die Landleute sein und sie bestimmen, sich gut aufzuführen. Cathérine Tonsards Heirat mit Godain wurde also mittels der tausend von der Gräfin versprochenen Franken in Ordnung gebracht.
    Ein andermal schleppte ein anderes furchtbares Weib, Mutter Bonnébault, die in einer baufälligen Hütte zwischen dem Conchestore und dem Dorfe wohnte, eine Last derber Leinfadengebinde herbei.
    »Die Frau Gräfin haben Wunder gewirkt,« sagte der Abbé, voller Hoffnung auf den moralischen Fortschritt dieser Wilden. »Diese Frau verursachte Ihnen vielen Schaden in Ihren Wäldern; aber wie und warum sollte sie heute dorthin gehen? Sie spinnt von Morgen bis Abend; ihre Zeit ist gut angewandt und trägt ihr etwas ein.«
    Das Land war ruhig. Groison machte befriedigende Berichte; die Missetaten schienen nachlassen zu wollen. Und vielleicht würde die Beschaffenheit des Landes und seiner Bewohner ohne Gaubertins rachsüchtige Habgier, ohne die Bourgeoisränke der ersten Soulanger Gesellschaft und ohne Rigous Intrigen, der den Haß und das Verbrechen im Herzen der Bauern des Tales von Les Aigues wie ein Schmiedefeuer anfachte, ein ganz anderes Gesicht bekommen haben.
    Die Waldhüter beklagten sich, inmitten des Buschholzes stets viele Zweige zu finden, die mit der Hippe abgeschnitten waren, in der augenscheinlichen Absicht, Holz für den Winter vorzubereiten; und sie lauerten auf die Urheber dieser Delikte, ohne sie fassen zu können. Mit Hilfe von Groison hatte der Graf die Bedürftigkeitsscheine nur für dreißig oder vierzig wirkliche Gemeindearme ausgestellt; doch die Bürgermeister der Nachbargemeinden waren weniger schwierig gewesen. So milde der Graf sich damals in Conches gezeigt hatte, so entschlossen war er, in der Frage des Stoppelns Strenge zu zeigen, die in Diebstahl ausgeartet war. Er kümmerte sich nicht um seine drei verpachteten Güter; es handelte sich nur um seine Vorwerke, die ziemlich zahlreich waren: er besaß ihrer sechs, jedes zu zweihundert Arpents. Er hatte bekannt gemacht, daß es bei Strafe der Protokollierung und der Bußen, welche das Friedensgericht aussprechen würde, verboten sei, die Felder vor dem Einfahren der Garben zu betreten. Seine Anordnung betraf in der Gemeinde übrigens nur ihn selbst.
    Rigou kannte das Land: er hatte seine pflügbaren Ländereien in Parzellen und kleinen Pachtungen an Leute vergeben, die ihre Ernten einzubringen wußten; er ließ sich in Getreide bezahlen. Das Stoppeln berührte ihn nicht. Die anderen Besitzer waren Bauern und die schadeten sich untereinander nicht. Der Graf hatte Sibilet befohlen, mit seinen Pächtern auszumachen, daß auf den Feldern jeder Pachtung nacheinander geschnitten werden solle; auch sollten alle Schnitter zu jedem seiner Pächter zurückkommen, statt nach der Arbeit auseinander zu gehen, was die Ueberwachung verhinderte. Der Graf ging selber mit Michaud hin, um zu prüfen, wie die Dinge liefen. Groison, der diese Maßnahmen eingegeben hatte, mußte bei allen Besitzergreifungen der Felder des reichen Grundbesitzers durch die Armen zugegen sein. Die Stadtbewohner werden sich niemals vorstellen können, was das Stoppeln für die Landbewohner bedeutet. Ihre Leidenschaft ist unerklärlich; denn es gibt Weiber, die sehr gut bezahlte Arbeiten im Stich lassen, um zum Stoppeln zu gehen. Das Getreide, das sie auf die Weise bekommen, scheint ihnen besser zu sein. Der so erlangte Vorrat, der zu ihrer hauptsächlichsten Nahrung dient, lockt sie ungeheuer. Die Mütter nehmen ihre kleinen Kinder, ihre Mädchen und Jungen mit, die

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