Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
geht, und war sich völlig im Unklaren über Gaubertins Einfluß auf die Flößerei auf der Yonne, die Paris zum großen Teil versorgt.
VII
Der Windhund
Gegen Mitte des Septembermonds kam Émile Blondet, der zur Veröffentlichung eines Buches nach Paris gereist war, zurück, um sich in Les Aigues auszuruhen und dort die Arbeiten zu überlegen, die er für den Winter vorhatte. In Les Aigues kam in dem gewiegten Journalisten der liebenswürdige und treuherzige junge Mann jener ersten Tage, die auf das Jünglingsalter folgen, wieder zum Vorschein.
»Welch eine schöne Seele!«
So hatten ihn der Graf und die Gräfin genannt.
Die Menschen, die daran gewöhnt sind, sich in den Abgründen der sozialen Welt herumzutreiben, alles zu begreifen, nichts zu unterdrücken, schaffen sich eine Oase im Herzen. Sie vergessen ihre und anderer Leute Verkehrtheiten, werden in einem engen und zurückhaltenden Kreise kleine Heilige, besitzen weibliches Zartgefühl und überlassen sich einer augenblicklichen Verwirklichung ihres Ideals. Für eine einzige Person, die sie anbeten, sind sie Engel und spielen dabei keine Komödie; sie bringen ihre Seele sozusagen auf die Weide. Sie haben es nötig, ihre Schmutzflecke abzubürsten, ihre Narben auszuheilen und ihre Wunden zu verbinden. Émile Blondet war ohne Gift und fast ohne Geist nach Les Aigues gekommen, er sagte nicht ein Epigramm, hatte eine Lammsgeduld und war von einem milden Platonismus.
»Er ist ein so guter junger Mann, daß er mir fehlt, wenn er nicht da ist!« sagte der General. »Ich möchte gern, daß er sein Glück machte und sein Pariser Leben nicht weiter führte.«
Nie waren die herrliche Landschaft und der Park von Les Aigues wonnevoller schön gewesen, wie damals. In den ersten Herbsttagen, im Augenblick, da die Erde, ihrer Geburten müde, ihrer Erzeugnisse ledig, köstliche pflanzliche Düfte ausatmet, sind die Wälder besonders wundervoll; sie beginnen jene grünen Bronzetöne anzunehmen, jene warmen Terra-di-Siena-Farben, aus welchen die schönen Teppiche sich zusammensetzen, unter denen sie sich verbergen, wie um es mit dem Winterfroste aufzunehmen.
Nachdem die Natur sich im Frühling prunkend und froh wie eine hoffende Brünette gezeigt hat, wird sie dann traurig und sanft wie eine Blondine, die in Erinnerungen lebt. Die Rasenflächen vergolden sich, die Herbstblumen zeigen ihre blassen Blütenkronen, die Margareten durchbrechen sparsamer die Wiesengründe mit ihren weißen Augen, man sieht nur noch blaßviolette Kelche. Gelb ist in Fülle vorhanden, die Schatten werden heller im Laub und ausgesprochener in ihren Farben. Die schon schräger stehende Sonne wirft orangerote flüchtige Lichtbündel hinein, lange leuchtende Spuren, die schnell davoneilen wie die Schleppkleider lebewohlsagender Frauen.
Am zweiten Tage nach seiner Ankunft stand Émile morgens an seinem Zimmerfenster, das auf eine jener Terrassen mit modernem Balkon hinausging, von wo aus man eine schöne Aussicht entdeckte. Dieser Balkon lief längs der Zimmer der Gräfin auf der Seite entlang, die auf die Wälder und die Landschaft von Blangy blickte. Von dem Weiher, den man einen See genannt hätte, wenn Les Aigues näher bei Paris gelegen haben würde, sah man nur ein wenig, ebenso von seinem Kanal; die vom Jagdpavillon kommende Quelle floß mit ihrem moirierten und sandglitzernden Bande durch eine Rasenfläche. Ueber den Park hinweg sah man gegen die Dörfer und die Mauern zu die Felder von Blangy, einige Wiesen, wo Kühe weideten, heckenumgebene Höfe mit ihren Fruchtbäumen: Nußbäumen und Apfelbäumen; dann als Rahmen die Höhen, auf denen sich stufenweise die schönen Bäume des Waldes aufbauten. Die Gräfin war in Pantoffeln hinausgegangen, um die Blumen auf ihrem Balkon zu betrachten, die ihren Morgenduft ausströmten. Sie trug einen Batistmorgenrock, durch den das Rosa ihrer schönen Schulter schimmerte; eine hübsche kokette Morgenhaube war keck auf ihre Haare gesetzt, die vorwitzig darunter hervorquollen. Ihre kleinen Füße leuchteten fleischfarben durch ihren durchsichtigen Strumpf, ihr Morgenrock wallte gürtellos und ließ einen gestickten Batistunterrock sehen, der schlecht an einem Leibchen angeknöpft war, das man auch sah, wenn der Wind das leichte Morgengewand öffnete.
»Ach, Sie sind da?« sagte sie.
»Ja.
»Was beschauen Sie?«
»Schöne Frage! Sie haben mich der Natur entrissen. Sagen Sie doch, Gräfin, wollen wir heute morgen vor dem Frühstück einen Spaziergang in
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