Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
die, welche zu lesen verstanden, dieses Wortspiel in zwölf Buchstaben: Au Grand-I-vert (hiver): Im tiefen Winter. Zur Linken der Tür leuchteten die lebhaften Farben des üblichen Plakats: Gutes Märzbier, wo zu beiden Seiten, einen überschäumenden Krug neben sich, eine Frau in einem allzu reichlich ausgeschnittenen Kleide und ein Husar, beide roh koloriert, sich spreizen. Trotz Blumen und Landluft strömte auch diese Hütte den starken und ekelhaften Wein- und Speisegeruch aus, der einen in Paris überfällt, wenn man an Vorstadtkneipen vorübergeht.
Die Lokalitäten kennt ihr nun. Jetzt zu den Lebewesen und ihrer Geschichte, die für Philanthropen mehr als eine Lektion enthält.
Der Besitzer des Grand-I-vert, mit Namen François Tonsard, empfiehlt sich der Aufmerksamkeit der Philosophen durch die Art und Weise, wie er das Problem des müßiggängerischen Lebens und des beschäftigten Lebens gelöst, indem er den Müßiggang ertragbringend und die Beschäftigung gleich Null zu machen gewußt hatte.
Als Gelegenheitsarbeiter wußte er das Land zu bestellen, aber nur für sich. Für andere Leute grub er Gräben, band er Reisholz zusammen, schälte oder fällte er Bäume. Bei solchen Arbeiten ist der Laie ganz auf den Arbeiter angewiesen. Tonsard verdankte seinen Flecken Landes Mademoiselle Laguerres Edelmut. Von frühester Jugend an stand Tonsard in Tagelohn bei dem Schloßgärtner, denn er hatte nicht seinesgleichen im Schneiden der Alleebäume, der Hainbuchen, der Hecken und der indischen Kastanienbäume. Sein Name Tonsard (Scheerer) kündet gleichsam ein angeerbtes Talent an. Tief in der Provinz gibt es Privilegien, die man mit ebensoviel Kunstgriffen erlangt und festhält wie sie die Handelstreibenden entfalten, um sich die ihrigen anzumaßen. Als Madame lustwandelte, hörte sie Tonsard, der ein schlanker, kräftiger junger Mann war, eines Tages sagen: »Gleichwohl würde mir ein Arpent Land zum Leben und zwar zum glücklichen Leben genügen.« Das gute Mädchen, welches ja gewohnt war, Männer glücklich zu machen, schenkte ihm diesen Arpent in einem Weinberg vor dem Blangytore gegen hundert Tage Arbeit (ein wenig verstandenes Zartgefühl!), indem sie ihm erlaubte, in Les Aigues zu bleiben, wo er mit den Schloßleuten zusammenlebte, denen er der beste Bursche von Burgund zu sein schien.
Dieser arme Tonsard (so nannte ihn jedermann) füllte von den hundert Tagen, die er schuldig war, dreißig mit Arbeit aus; den Rest der Zeit über bummelte er, indem er mit Madames Frauen und vor allem mit Mademoiselle Cochet, der Kammerfrau, schäkerte, wiewohl sie wie alle Kammerfrauen schöner Theaterdamen häßlich war. Das Lachen mit Mademoiselle Cochet hatte zur Folge, daß Soudry, der glückliche Gendarm, von dem in Blondets Briefe die Rede gewesen, Tonsard noch nach fünfundzwanzig Jahren schief ansah. Der Nußbaumschrank und das schöne Himmelbett, die Zierden des Schlafzimmers, waren zweifelsohne die Frucht irgendeines »Lächelns«.
Einmal im Besitz seines Feldes antwortete Tonsard dem ersten, der ihm sagte, daß Madame es ihm geschenkt:
»Sackerdi, teuer hab' ich's gekauft und teuer bezahlt. Schenken uns die feinen Leute jemals was? Ist eine Arbeit von hundert Tagen nichts wert? Das hat mich dreihundert Franken gekostet und ist ganz steinig!« Diese Aeußerung war der unteren Volksschicht durchaus entsprechend. Tonsard baute sich dann das Haus selber; das Material dazu nahm er von hier und dort, ließ sich von dem einen oder anderen unter die Arme greifen, stahl im Schlosse abgelegte Sachen zusammen oder erbat sie sich und erhielt sie immer. Eine schlechte Flügeltür, die zertrümmert worden war, um fortgeschafft zu werden, wurde die des Stalls. Die Ueberreste des Schlosses dienten also dazu, diese verhängnisvolle Hütte aufzubauen.
Vor der Aushebung durch Gaubertin gerettet, den Verwalter von Les Aigues, dessen Vater Bezirksstaatsanwalt war, und der überdies Mademoiselle Cochet nichts abschlagen konnte, verheiratete Tonsard sich, sobald sein Haus fertig und sein Weinberg instand gesetzt war. Ein Bursche von dreiundzwanzig Jahren, in Les Aigues wie zu Hause, besaß dieser Schelm, dem Madame eben einen Arpent Land geschenkt hatte, und der ein tüchtiger Arbeiter zu sein schien, die Kunst, alle seine negativen Werte hinauszuposaunen, und er erhielt die Tochter eines Pächters der Besitzung Ronquerolles, die oberhalb des Waldes von Les Aigues lag.
Dieser Pächter hatte einen halben Pachthof inne, der in
Weitere Kostenlose Bücher