Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
Ermangelung einer Pächterin unter seinen Händen verfiel. Als untröstlicher Witwer versuchte er seinen Kummer nach englischer Manier im Weine zu ersaufen; doch, als er nicht mehr an seine arme liebe Entschlafene dachte, fand er sich, einem Dorfscherz zufolge, mit der Flasche verheiratet. In kurzer Zeit ward aus dem Pächter-Schwiegervater wieder ein Arbeiter, aber ein trunksüchtiger, fauler, boshafter und tückischer Arbeiter, der zu allem fähig war, wie eben Leute aus dem Volke, die aus einer gewissen Wohlhabenheit ins Elend zurücksinken. Dieser Mann, den seine praktischen Kenntnisse – außerdem verstand er sich auf Lesen und Schreiben – über andere Arbeiter stellten, den seine Laster jedoch Bettlern gleichstellten, hatte sich eben, wie man gesehen hat, an den Ufern der Avonne mit einem der geistreichsten Männer von Paris in einer von Vergil vergessenen Bucolica gemessen.
Vater Fourchon, der zuerst Schulmeister in Blangy wurde, verlor seine Stelle um seiner schlechten Aufführung und seiner Ansichten über öffentliche Erziehung willen. Er half den Kindern viel lieber Schiffchen und Püppchen aus ihren Abcbüchern zu machen, als sie lesen zu lehren, er tadelte sie so seltsam, wenn sie Obst stibitzt hatten, daß seine Ermahnungen für Lehren durchgehen konnten, auf welche Weise man die Mauern zu übersteigen habe. Man zitiert noch in Soulanges seine Antwort an einen kleinen Jungen, der zu spät gekommen war und sich folgendermaßen entschuldigte:
»Verzeihung, Herr Lehrer, ich hab' use Perd zur Tränke geführt!«
»Unser Pferd heißt's, Perdshöttel du!«
Vom Lehrer sank er zum Landbriefträger herunter. Auf diesem Posten, der so vielen alten Soldaten eine Zuflucht bietet, bekam er alle Tage Verweise. Entweder ließ er die Briefe in den Wirtschaften liegen, oder hob sie bei sich auf. Wenn er betrunken war, brachte er die Pakete für die eine Gemeinde in die andere, und wenn er nüchtern war, las er die Briefe durch. Er ward also schnell abgesetzt. Da er im Staate nichts sein konnte, war Vater Fourchon schließlich Gewerbetreibender geworden. Auf dem Lande üben die armen Leute irgendein Gewerbe aus; alle schützen sie eine anständige Existenz vor. Im Alter von achtundsechzig Jahren fing der Greis eine Seilerei im kleinen an, eines jener Gewerbe, die ein Minimum an Einlagekapital verlangen. Die Werkstatt ist, wie man gesehen hat, die nächstbeste Mauer, die Werkzeuge sind kaum zehn Frank wert, der Lehrling schläft wie sein Meister in einer Scheune und lebt von dem, was er zusammenrafft. Die Raubsucht des Türen und Fenster besteuernden Gesetzes erlischt sub die . Man leiht sich das Rohmaterial, um es verarbeitet zurückzugeben. Die Haupteinnahmequelle des Vaters Fourchon und seines Lehrlings Mouche, des natürlichen Sohnes einer seiner natürlichen Töchter, bildete jedoch seine Otternjagd; die Frühstücksbrote und Mittagessen gaben ihnen die Leute, welche, da sie weder zu lesen noch zu schreiben verstanden, Vater Fourchons Talente ausnutzten, falls es einen Brief zu beantworten oder eine Rechnung auszustellen gab. Endlich verstand er die Klarinette zu spielen und unterstützte einen seiner Freunde, namens Vermichel, den Fiedler von Soulanges, bei den Dorfhochzeiten oder den großen Balltagen im Tivoli von Soulanges. Vermichel hieß Michel Vert; doch das mit seinem richtigen Namen vorgenommene Wortspiel wurde so allgemein gebräuchlich, daß Brunet, der Gerichtsdiener des Friedensgerichts von Soulanges, in seine Akten setzte: »Michel-Jean-Jérôme Vert genannt Vermichel, Sachverständiger.« Vermichel, einem sehr ausgezeichneten Violinisten des alten Regiments von Burgund, hatte Vater Fourchon aus Dankbarkeit für die Dienste, die er ihm geleistet, diese Sachverständigenstelle verschafft, eine Pfründe, die jedem Menschen auf dem Lande zufällt, der seinen Namen zu schreiben versteht. Vater Fourchon diente also als Zeuge oder Sachverständiger in den richterlichen Akten, wenn Sieur Brunet in den Gemeinden von Cerneux, Conches und Blangy Urkunden ausstellte. Vermichel und Fourchon, die durch eine Freundschaft miteinander verbunden waren, welche zwanzig Flaschenjahre zählte, bildeten beinahe eine Firma.
Mouche und Fourchon, durch das Laster aneinandergeschweißt, wie es ehedem Mentor und Telemach durch die Tugend waren, reisten wie sie auf der Suche nach ihrem Brote, dem panis angelorum , den einzigen lateinischen Worten, die im Gedächtnis der alten Bauern haften geblieben waren. Sie bettelten um
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