Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
die Speisereste im Grand-I-vert und um die der benachbarten Schlösser; denn in den beschäftigtsten, blühendsten Jahren hatten sie zu zweit niemals durchschnittlich dreihundertsechzig Ellen Leine herstellen können. Erstens würde kein Kaufmann im Umkreis von zwanzig Meilen weder Fourchon noch Mouche Werg anvertraut haben. Der Alte, der den Wundern der modernen Chemie zuvorkam, verstand Werg nur allzugut in gesegneten Rebensaft umzuwandeln. Zweitens schadete, wie er sagte, seine dreifache Funktion als öffentlicher Schreiber dreier Gemeinden, als Sachverständiger des Friedensgerichts und als Klarinettenspieler den Entwicklungen seines Handels.
So wurde Tonsard gleich zu Anfang in seiner liebsten Hoffnung betrogen, durch die Vermehrung seiner Besitztümer einen gewissen Wohlstand zu erlangen. Der faule Schwiegersohn traf durch einen gewöhnlichen Zufall auf einen nichtstuenden Schwiegervater. Die Geschäfte mußten um so schlechter gehen, als die Tonsard, die mit einer Art von ländlicher Schönheit begabt, groß und wohlgebaut war, unter freiem Himmel nicht zu arbeiten liebte. Tonsard zankte mit seiner Frau über den väterlichen Bankrott und mißhandelte sie aus Rache, wie das beim Volke üblich ist, dessen Augen, die sich einzig mit der Wirkung befassen, selten bis zur Ursache vordringen.
Als das Weib seine Kette als drückend empfand, wünschte es sie sich zu erleichtern. Sie bediente sich Tonsards Laster, um ihn nach ihrem Willen zu lenken. Als eine ihre Bequemlichkeit liebende Feinschmeckerin unterstützte sie die Faulheit und Leckerhaftigkeit des Mannes. Zuerst wußte sie sich die Gunst der Schloßleute zu verschaffen, ohne daß Tonsard ihr die Mittel vorwarf, da er ja die Resultate sah. Er beunruhigte sich herzlich wenig über das, was seine Frau tat, vorausgesetzt, daß sie alles tat, was er wollte. Das ist der Geheimvertrag der Hälfte der Ehen. Die Tonsard schuf also die Weinschenke zum Grand-I-vert, deren erste Besucher die Leute von Les Aigues, die Wärter und die Jäger waren.
Gaubertin, Mademoiselle Laguerres Haushofmeister, war einer der ersten Kunden der schönen Tonsard und schenkte ihr einige Stücke ausgezeichneten Weins, um das Geschäft in Gang zu bringen. Die Wirkung dieser Geschenke, die, solange der Verwalter Junggeselle war, sich von Zeit zu Zeit wiederholten, und der Ruf der wenig spröden Schönheit, welche die Don Juans des Tales auf das Weib aufmerksam machten, führten dem Grand-I-vert Gäste zu. In ihrer Eigenschaft als Feinschmeckerin wurde die Tonsard eine ausgezeichnete Köchin, und obwohl ihre Talente sich nur an landesüblichen Gerichten, an Hasenpfeffer, Wildbretsaucen, an der Matelote und Omeletts übten, galt sie im ganzen Lande als beste Köchin dieser Speisen, welche man so zwischendurch ißt und die so übermäßig gewürzt sind, daß sie zum Trinken reizen. In zwei Jahren hatte sie die Herrschaft über Tonsard errungen und trieb ihn einer üblen Neigung in die Arme, der er sich mit Freuden hingab.
Der Halunke wilderte ständig, ohne etwas befürchten zu müssen. Die Liebschaften seiner Frau mit dem Haushofmeister Gaubertin, mit den Privatwächtern und den ländlichen Autoritäten und die Nachlässigkeit der Zeit schützten ihn vor Strafe. Sobald seine Kinder groß genug waren, machte er sie zu Werkzeugen seines Wohlstandes, ohne sich in bezug auf ihre Moral bedenklicher zu zeigen als in bezug auf die seiner Frau. Er hatte zwei Töchter und zwei Söhne. Tonsard, der wie sein Weib in den Tag hinein lebte, würde sein frohes Leben haben zur Neige gehen sehen, wenn er bei sich nicht ständig an dem quasi Kriegsgesetze, an der Erhaltung seines Wohlstandes zu arbeiten, festgehalten hätte, an dem seine Familie übrigens teilhatte. Wenn seine Familie auf Kosten derer erzogen wurde, denen seine Frau Geschenke abzulisten wußte, so waren folgendes der Freibrief und das Budget des Grand-I-vert:
Tonsards alte Mutter und seine beiden Töchter, Cathérine und Marie, gingen ständig ins Holz und kamen zweimal täglich gebeugt unter der Last eines Bündels zurück, das bis zu ihren Knöcheln hinunterging und ihren Kopf um zwei Fuß überragte. Obwohl es äußerlich aus trocknem Holz bestand, bildete das Innere doch grünes Holz, das häufig unter den jungen Bäumen abgeschnitten war. Tonsard nahm sein Holz für den Winterbedarf buchstäblich aus den Wäldern von Les Aigues. Vater und beide Söhne wilderten fortgesetzt. Von September bis März schossen sie Hasen, Kaninchen,
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