Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
man nicht in einem Lande von lauter Dieben. Der Diebstahl macht uns nicht grade fett. Zeigt mir doch, wer von uns oder von euch Bourgeois was hat, um vom Nichtstun leben zu können?« –
»Wenn Sie gearbeitet hätten, würden Sie Renten haben,« sagte der Pfarrer. »Gott segnet die Arbeit.«
»Ich will Sie nicht Lügen strafen, Herr Abbé, denn Sie sind gelehrter als ich, und Sie können mir vielleicht folgende Sache erklären. Ich hier, nicht wahr? ich bin ein Faulpelz, der Nichtstuer, der Trunkenbold, der Taugenichts Vater Fourchon, der Erziehung mitgekriegt hat, der Pächter gewesen und der ins Unglück geraten ist und sich nicht wieder herausgerappelt hat! Schön; welcher Unterschied besteht denn zwischen mir und jenem braven, jenem ehrenwerten Vater Niseron, einem Winzer von siebzig Jahren; – denn er steht ja in meinem Alter –, der sechzig Jahre lang die Erde gehackt hat, der tagtäglich vor Sonnenaufgang aufgestanden ist, um an die Arbeit zu gehen, der sich einen eisernen Körper erworben hat und eine schöne Seele dazu? Ich sehe ihn genau so arm wie mich. Die Péchina, seine Enkelin, steht bei Madame Michaud in Dienst, während mein kleiner Mouche frei wie die Luft ist! Der arme Biedermann ist für seine Tugenden also in gleicher Weise belohnt worden, wie ich für mein Laster bestraft? Er weiß nicht, wie ein Glas Wein aussieht, ist mäßig wie ein Apostel und scharrt die Toten ein; und ich, ich lasse die Lebenden tanzen. Er ist von der schwarzen Kuh getreten worden und ich, ich habe herumgesoffen wie eine lustige Teufelskreatur. Beide sind wir alt geworden, wir haben denselben Schnee auf dem Kopfe, dasselbe Haben in unseren Taschen, und ich mache ihm den Strick, damit er die Glocke läuten kann. Er ist Republikaner, ich bin nicht mal Republikaner. Das ist alles. Mag der Bauer vom Recht- oder nach Ihrer Meinung vom Schlechttun leben, so marschiert er aus dem Leben ab, wie er hineingekommen ist: in Lumpen, und Sie in schöner Leinewand!«
Kein Mensch unterbrach den Vater Fourchon, der seine Beredsamkeit scheinbar dem getrunknen Weine verdankte. Erst hatte Sibilet ihm das Wort abschneiden wollen, aber eine Geste Blondets machte den Verwalter stumm.
Der Pfarrer, der General und die Gräfin verstanden aus den Blicken, die ihnen der Schriftsteller zuwarf, daß er die Frage des Pauperismus nach dem Leben studieren und sich vielleicht an Vater Fourchon rächen wollte.
»Und wie bewerkstelligt Ihr Mouches Erziehung? Was tut Ihr, um ihn besser zu machen als Eure Töchter?« fragte Blondet.
»Betet er denn nicht zu Gott?« sagte der Pfarrer.
»Oh, nein, nein, Herr Pfarrer! Ich sage ihm nicht, daß er Gott fürchten solle, sondern die Menschen! Gott ist gut und hat uns laut Ihresgleichen das Königreich im Himmel versprochen, da die Reichen das der Erde inne haben. Ich sage ihm: ›Mouche, fürchte dich vorm Gefängnis! Daraus wird man entlassen, um aufs Schafott zu steigen. Stiehl nichts, laß dir schenken! Der Diebstahl führt zum Totschlag und der Totschlag ruft die Justiz der Menschen. Und vor dem Rasiermesser der Justiz, davor muß man Bange haben, es schützt den Schlaf der Reichen vor der Schlaflosigkeit der Armen. Lerne ja lesen. Mit Bildung wirst du Mittel und Wege finden, vor dem Gesetze sicher Geld aufzuhäufen, wie der feine Monsieur Gaubertin. Du wirst Verwalter werden, was? wie Monsieur Sibilet, den der Herr Graf seine Rationen nehmen läßt ... Das Beste ist, bei den Reichen zu sitzen, unter ihren Tisch fallen Brosamen! Das nenne ich eine feine Erziehung und eine solide. Auch steht mein kleiner Bursche dann stets auf Seiten des Gesetzes. Er wird ein guter Kerl werden und für mich sorgen.«
»Und was wollt Ihr aus ihm machen?«
»Zu Anfang einen Diener,« antwortete Fourchon, »weil er, wenn er die Herren aus der Nähe sieht, gut weiterkommen wird, sehen Sie! Das gute Beispiel wird ihn, wenn er dem Gesetze nachkommt, sein Glück machen lassen, wie euch andern! ... Wenn der Herr Graf ihn in seine Ställe stecken wollte, um Pferde striegeln zu lernen, würde der kleine Junge recht zufrieden sein ... falls er, wenn er sich vor den Menschen fürchtet, die Tiere nicht fürchtet.«
»Ihr besitzt Verstand, Vater Fourchon,« entgegnete Blondet, »Ihr wißt genau, was Ihr sagt und Ihr sprecht nicht ohne Vernunft.«
»O du meine Güte! Wenn, dann ist meine Vernunft im Grand-I-Vert mit meinen beiden Hundertsousstücken.«
»Wie hat ein Mann wie Ihr ins Unglück geraten können? Denn nach der
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