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Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Titel: Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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hier«, fuhr sie, Blondet anblickend, fort, »hat mir den Kopf verdreht. Nach dem Frühstück aber wollen wir zusammen nach dem Avonnetor gehen, ich will Ihnen eine jener Frauengestalten, wie sie die Maler des XV. Jahrhunderts erfanden, lebend zeigen!«
    In diesem Augenblick ließ der von François geführte Vater Fourchon das Geräusch seiner zerbrochenen Holzschuhe vernehmen, welche er vor die Türe des Dienerzimmers hinstellte. Auf ein Kopfnicken der Gräfin zu François hin, der ihn anmeldete, zeigte sich Vater Fourchon in Gefolgschaft des mit vollen Backen kauenden Mouche, in der Hand seine Otter haltend, die mit ihren gelben Pfoten, die sternförmig wie die der Schwimmvögel waren, an einem Bindfaden hing. Er warf auf die vier am Tische sitzenden Herren und auf Sibilet jenen Blick, der Mißtrauen und Servilität ausdrückt und dem Bauer als Schleier dient; dann schwang er das Amphibium mit triumphierender Miene.
    »Da ist sie,« rief er, sich Blondet zuwendend.
    »Meine Otter,« wandte der Pariser ein, »denn ich habe sie teuer erstanden.«
    »Oh, mein lieber Herr,« antwortete Vater Fourchon, »Ihre ist ausgekniffen! Sie ist zu dieser Stunde in ihrem Loch, aus dem sie nicht wieder hat hervorkommen wollen, denn es war ein Weibchen; während das hier das Männchen ist! ... Mouche hat es von weitem kommen sehen, als Sie fortgegangen waren. So wahr, wie der Herr Graf sich mit seinen Kürassieren bei Waterloo rühmlich hervorgetan hat, gehört die Otter mir, wie Les Aigues dem gnädigen Herrn General gehören .. Doch für zwanzig Franken gehört die Otter Ihnen, oder ich bringe sie unserem Unterpräfekten. Wenn Monsieur Gourdon sie zu teuer findet, werde ich Ihnen, Herr Pariser, – da wir sie ja heute früh zusammen gejagt haben –, den Vorzug schenken; das bin ich Ihnen schuldig!«
    »Zwanzig Franken?« sagte Blondet, »das kann man auf gut Französisch nicht den Vorzug schenken nennen.«
    »Ach, mein lieber Herr,« rief der Alte, »ich kann so wenig Französisch, daß ich, wenn Sie wollen, sie auf burgundisch verlangen werde; wenn ich sie nur kriege, ist mir alles gleich, dann werde ich auch lateinisch reden: latinus, latina, latinum! Uebrigens haben Sie sie mir heute morgen versprochen. Meine Kinder haben mir außerdem Ihr Geld bereits weggenommen, und darüber hab' ich beim Kommen geweint. Fragen Sie Charles ... Ich will sie für zehn Franken nicht ins Unglück bringen und ihre Missetaten vors Gericht zerren. Sowie ich nur einige Sous besitze, stehlen sie sie mir, indem sie mich trinken lassen ... Es ist hart, dazu gezwungen zu sein, sein Glas Wein anderswo als bei seiner Tochter zu trinken! Das aber sind die Kinder von heute! Das haben wir durch die Revolution gewonnen; es gibt nur noch was für die Kinder, die Väter hat man unterdrückt! Ach, ich erziehe Mouche ganz anders: er liebt mich, der kleine Schelm,« sagte er und versetzte seinem Enkel einen kleinen Klaps.
    »Es scheint mir, daß Ihr, ganz wie die anderen, einen kleinen Dieb aus ihm macht,« sagte Sibilet, »denn er geht niemals zu Bett, ohne nicht ein Vergehen auf dem Gewissen zu haben.«
    »Ach, Monsieur Sibilet, er hat ein ruhigeres Gewissen als Sie ... Armes Kind! Was nimmt er denn? Ein bißchen Gras; das ist besser, als einem Menschen die Kehle zudrücken! Donnerwetter, er versteht sich nicht wie Ihr auf die mathematischen Wissenschaften; er kennt die Substraktion, Addition und Multiplikation noch nicht ... Ihr tut viel Böses, geht. Ihr sagt, daß wir Räuberhaufen wären; und Ihr seid die Ursache des Zwistes zwischen unserem Herrn und uns jetzt. Der ist ein braver Mann und wir, wir sind auch brave Leute ... Und es gibt kein braveres Land als dieses. Laßt doch sehen! Haben wir Renten? Geht man nicht beinahe nackt, und Mouche auch? Wir schlafen in schönen Betten, die alle Morgen vom Tau gewaschen werden, und wenn man uns nicht die Luft neidet, die wir atmen, und die Sonnenstrahlen, die wir trinken, so seh' ich nicht, was man uns kann wegnehmen wollen! ... Die Bourgeois stehlen im Kaminwinkel, das bringt mehr ein, als zu sammeln, was in den Waldwinkeln liegt. Es gibt weder Waldwächter noch Flurschützen zu Pferde für Monsieur Gaubertin, der nackt wie ein Wurm hierher gekommen ist und jetzt zwei Millionen hat! Es läßt sich bald: ›Diebe!‹ rufen. Fünfzehn Jahre ist's her, daß Vater Guerbet, der Lehrer von Soulanges, nachts aus unseren Dörfern mit seiner Kasse auskniff, und man hat ihm noch keine zwei Pfennige abverlangt. So handelt

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