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Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Titel: Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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beinahe ins Lächerliche gezogen hat. Dieser Typ hat den Fehler besessen, in der französischen Armee üblich zu sein; doch haben vielleicht auch die Kontinuität derselben Aufregungen, die Leiden des Bivaks, von denen weder die Großen noch die Kleinen befreit waren, kurz, die für die Anführer wie für die Soldaten gleichen Anstrengungen des Schlachtfelds dazu beigetragen, diese Physiognomie allgemein zu machen. Michaud, der ganz in königsblaues Tuch gekleidet war, trug die schwarzseidene Halsbinde und die Militärstiefel noch, wie er sich auch weiterhin straff militärisch hielt. Die Schultern waren zurückgenommen, die Brust herausgedrückt, wie wenn Michaud noch beim Militär wäre. Das rote Band der Ehrenlegion leuchtete in seinem Knopfloch. Kurz, um diese rein physische Skizze mit einem einzigen Worte nach der moralischen Seite zu vollenden: wenn der Verwalter es seit seinem Dienstantritt nie unterlassen hatte, seinen Patron Herr Graf zu nennen, so hatte Michaud seinen Herrn nie anders als »mein General« genannt.
    Abermals wechselte Blondet, indem er auf den Verwalter und den Hauptwächter hinwies, einen Blick mit Abbé Brossette, welcher sagen wollte: »Welch ein Kontrast!« Dann sah er Michaud an und sagte, um zu erfahren ob Charakter, Gedanken und Worte mit einer solchen Statur, Physiognomie und Haltung in vollkommener Uebereinstimmung stünden, zu ihm:
    »Mein Gott, ich bin heute früh zeitig ausgegangen und habe Ihre Wächter noch schlafend angetroffen!«
    »Um wieviel Uhr?« fragte der alte Militär voller Unruhe.
    »Um halb acht.«
    Michaud warf einen fast spöttischen Blick auf seinen General.
    »Und durch welches Tor ist Monsieur hinausgegangen?« fragte Michaud.
    »Durch das Conchestor. Der Wächter betrachtete mich im Hemd vom Fenster aus,« antwortete Blondet.
    »Zweifelsohne war Gaillard im Begriff zu Bett zu gehen,« fuhr Michaud fort. »Als Sie mir sagten, Sie waren frühzeitig ausgegangen, glaubte ich, Sie wären bei Tagesanbruch aufgestanden; und da hätte mein Wächter, wenn er dann schon zu Hause gewesen wäre, krank sein müssen; um halb acht aber ging er gerade zu Bett. – Wir sind die Nacht über auf,« fing Michaud nach einer Pause wieder an, indem er so auf einen erstaunten Blick der Gräfin antwortete; »doch immer versagt die Wachsamkeit! Sie haben eben einem Menschen fünfundzwanzig Franken reichen lassen, der grad in aller Seelenruhe die Spuren eines heute morgen bei Ihnen begangenen Diebstahls zu verbergen half. Nun, wir wollen darüber plaudern, wenn Sie fertig sind, mein General, denn man muß zu einem Entschlusse kommen.«
    »Immer sind Sie von Ihrem Rechte überzeugt, mein lieber Michaud, und summum jus, summa injuria. Wenn Sie keine Duldung üben, werden Sie sich in die Nesseln setzen,« sagte Sibilet. »Lieb wär's mir gewesen, wenn Sie eben den Vater Fourchon gehört hätten; der Wein hat ihn ein bißchen freimütiger als gewöhnlich reden lassen.«
    »Er hat mich erschreckt,« sagte die Gräfin.
    »Er hat nichts gesagt, was ich nicht schon seit langem weiß,« antwortete der General.
    »Oh, der Schuft war nicht betrunken; er hat nur seine Rolle gespielt; und zu wessen Gunsten? ... Sie wissen es vielleicht,« fuhr Michaud fort, indem er Sibilet mit dem festen Blick, den er auf ihm ruhen ließ, das Blut in die Wangen trieb.
    »O rus!« rief Blondet und schielte nach dem Abbé Brossette.
    »Die armen Leute leiden,« sagte die Gräfin, »es liegt etwas Wahres in dem, was uns Fourchon eben zuschrie; denn man kann nicht behaupten, daß er mit uns gesprochen hat.«
    »Glauben Sie, Madame, fuhr Michaud fort, »daß des Kaisers Soldaten vierzehn Jahre lang auf Rosen gebettet waren? Mein General ist Graf, ist Großoffizier der Ehrenlegion und hat Einkünfte zugewiesen bekommen: sehen Sie mich darum eifersüchtig auf ihn, mich, der sich wie er geschlagen hat? Hab' ich Lust, ihm seinen Ruhm streitig zu machen, ihm seine Dolationen zu stehlen und ihm die Ehren zu verweigern, die seinem Range zukommen? Der Bauer muß gehorchen; er muß die Rechtschaffenheit des Soldaten besitzen, seinen Respekt vor den erworbenen Rechten und auf anständige Weise Offizier zu werden versuchen, durch seiner Hände Arbeit und nicht durch Diebstahl. Pflugschar und Seitengewehr sind Zwillinge. Dem Soldaten steht mehr noch als dem Bauern zu jeder Stunde der Tod vor Augen.«
    »Das möchte ich ihnen von der Kanzel aus sagen!« rief der Abbé Brossette.
    »Duldung?« fuhr der Hauptwächter, auf Sibilets

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