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Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Titel: Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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nenne mich weder Mouche noch sonstwie. Großpap' hat mir meine Vorteile gut beigebracht, ich bin nicht eingeschrieben in die Papiere der Regierung und wenn ich ins Musterungsalter komme, mache ich meine Rundreise durch Frankreich. Mich soll man nicht erwischen.«
    »Liebst du ihn, deinen Großvater?« fragte die Gräfin, die in diesem zwölfjährigen Herzen gern lesen wollte.
    »Er gibt mir Ohrfeigen, wenn's ihm paßt; aber, was wollen Sie? Er ist so unterhaltend! Ein so guter Kerl! Und dann sagt er, daß er sich dafür bezahlt mache, mir Lesen und Schreiben beigebracht zu haben.«
    »Du kannst lesen?«
    »Aber ja, Herr Graf, und die feine Schrift dazu! Das stimmt ebensogenau, wie daß wir eine Otter haben.«
    »Was steht da?« sagte der Graf, indem er ihm die Zeitung hinhielt.
    »Das Ta-ge-blatt,« antwortete Mouche und machte nur drei Pausen.
    Alle Welt, selbst der Abbé Brossette fing an zu lachen.
    »Ach, Donner ja, Sie lassen mich die Zeitung lesen,« schrie Mouche erbittert. »Mein Großpap' sagt, die wären nur für die Reichen da, und man erführe später doch immer, was drinnen stände.«
    »Das Kind hat recht, General; das macht mir Lust, meinen Sieger von heute früh wiederzusehen,« sagte Blondet, »seine Mystifikation war, wie ich sehe, ausgetüftelt!«
    Mouche begriff erstaunlich gut, daß er für die Lustbarkeiten der Bourgeois posiere: Vater Fourchons Schüler war seines Meisters also würdig: er fing zu weinen an.
    »Wie können Sie ein Kind aufziehen, das barfuß geht?« fragte die Gräfin.
    »Und er findet es ganz simpel, daß sein Großvater sich für seine Erziehungskosten durch Klapse schadlos hält?« fragte Blondet.
    »Sag', mein armer Kleiner, habt ihr eine Otter gefangen?« sagte die Gräfin.
    »Ja, Madame, das ist so wahr, wie Sie die schönste Frau sind, die ich sah und je sehen werde,« antwortete das Kind, seine Tränen wegwischend.
    »So zeig die Otter doch,« sagte der General.
    »Oh, Herr Graf, mein Großpap' hat sie versteckt; aber sie zappelte noch, als wir bei unserer Seilerei waren ... Sie können ja meinen Großpap' kommen lassen, denn er will sie selber verkaufen.«
    »Führen Sie ihn ins Dienerzimmer,« sagte die Gräfin zu François; »er mag dort frühstücken, während er auf Vater Fourchon wartet, den Sie von Charles holen lassen sollen. Sehen Sie zu, daß Sie Schuhe, ein Beinkleid und eine Jacke für das Kind auftreiben. Wer nackt hierher kommt, soll bekleidet fortgehen ...«
    »Gott segne Sie, meine liebe gnädige Frau!« sagte Mouche im Weggehen. »Der Herr Pfarrer kann sicher sein, daß ich, wenn ich nach Hause komme, die Sachen für die Feiertage aufheben werde!«
    Émile und Madame de Montcornet sahen sich, erstaunt über solche Bemerkung, an und schienen dem Pfarrer mit einem Augenwink zu sagen: »Er ist nicht so dumm!«
    »Wahrlich, Madame,« sagte der Pfarrer, als das Kind nicht mehr da war, »man darf mit dem Unglück nicht abrechnen. Ich denke, es hat verborgene Ursachen, deren Beurteilung nur Gott allein zusteht, oft verhängnisvolle physische Ursachen und moralische Gründe, die sich aus dem Charakter ergeben und durch Veranlagungen hervorgerufen werden, welche wir anklagen und die zuweilen die Resultate von Eigenschaften bilden, die zum Unglück für die Gesellschaft aussichtslos sind. Die auf den Schlachtfeldern vollführten Wundertaten haben uns gelehrt, daß die übelsten Kerle sich in Helden verwandeln können ... Hier aber befinden Sie sich in exzeptionellen Umständen, und wenn Ihre Wohltätigkeit nicht Hand in Hand mit der Ueberlegung geht, laufen Sie Gefahr, Ihre Feinde zu besolden...«
    »Unsere Feinde?« rief die Gräfin.
    »Grausame Feinde,« wiederholte der General ernst.
    »Vater Fourchon bildet mit seinem Schwiegersohne Tonsard,« fuhr der Pfarrer fort, »die ganze Intelligenz des niederen Volks im Tale; man fragt sie in den geringfügigsten Dingen um Rat. Die Leute hier sind von einem unglaublichen Machiavellismus. Sie müssen wissen, daß zehn in einer Schenke vereinigte Bauern die Münze eines großen Politikers sind ...«
    In diesem Augenblick meldete François Monsieur Sibilet an.
    »Das ist der Finanzminister,« sagte der General lächelnd, »lassen Sie ihn eintreten. – Er wird Ihnen den Ernst der Lage auseinandersetzen.«
    »Um so lieber, als er ihn Ihnen kaum gern verheimlicht,« sagte der Pfarrer ganz leise.
    Blondet erblickte nun eine Persönlichkeit, von der er seit seiner Ankunft sprechen hörte, und die er kennenzulernen wünschte:

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