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Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Titel: Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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vergleichen; aber Sie können sich nicht selber vergleichen. Es muß aussehen, als ob ich Sie bestehle. Da nun unser ganzes Vermögen und unser Trost auf unserer Rechtschaffenheit beruht, können wir armen Teufel den Anschein der Spitzbüberei kaum auf uns nehmen. Man beurteilt uns stets nach dem Augenschein. Gaubertin hat Mademoiselle Laguerre seinerzeit das Leben gerettet, und es hat so ausgesehen, als ob er sie beraube; auch hat sie ihn für seine Ergebenheit belohnt, indem sie ihn testamentarisch mit einem Solitär im Werte von zehntausend Franken bedachte, den Madame Gaubertin im Stirnband trägt.«
    Der General warf einen zweiten Blick auf Sibilet, der ebenso zweideutig war wie der erste; doch der Verwalter schien von diesem Mißtrauen, das sich unter Gutherzigkeit und Lächeln verbarg, nicht betroffen zu sein.
    »Meine Unredlichkeit dürfte Monsieur Gaubertin so sehr freuen, daß ich ihn mir zum Beschützer machen würde,« fuhr Sibilet fort. »Auch würde er mir mit beiden Ohren zuhören, wenn ich ihm folgenden Vorschlag unterbreitete: ›Ich kann dem Herrn Grafen zwanzigtausend Franken für die Herren Gravelot unter der Bedingung entreißen, daß sie sie mit mir teilen.‹ Wenn Ihre Widersacher einwilligen, will ich Ihnen zehntausend Franken bringen; Sie werden nur zehntausend verlieren, wahren den Schein, und der Prozeß ist erledigt.«
    »Du bist ein braver Mensch, Sibilet,« sagte der General, indem er nach seiner Hand griff und sie drückte. »Wenn du die Zukunft ebensogut arrangieren kannst wie die Gegenwart, halt' ich dich für die Perle der Verwalter.« ...
    »Was die Zukunft anlangt,« erwiderte der Verwalter, »so werden Sie nicht Hungers sterben, wenn Sie zwei oder drei Jahre über kein Holz schlagen lassen. Fangen Sie damit an, Ihre Wälder besser bewachen zu lassen. Bis dahin wird sicherlich viel Wasser die Avonne hinuntergeflossen sein. Gaubertin kann sterben; kann sich für reich genug halten, um sich zurückzuziehen; schließlich haben Sie Zeit, ihm einen Konkurrenten vor die Nase zu setzen. Der Kuchen ist schön genug, um geteilt zu werden; Sie können einen anderen Gaubertin suchen, den Sie ihm entgegensetzen.«
    »Sibilet,« sagte der alte Soldat, erstaunt über diese verschiedenen Lösungen, »ich schenke dir dreitausend Franken, wenn du es so zu Ende bringst; was den Rest anlangt, so wollen wir darüber nachdenken.«
    »Herr Graf,« sagte Sibilet, »lassen Sie vor allem Ihre Wälder bewachen. Sehen Sie sie an, in welchen Zustand sie die Bauern während Ihrer zweijährigen Abwesenheit versetzt haben... Was konnte ich machen? Ich bin Verwalter, bin kein Wächter. Um Les Aigues zu bewachen, müssen Sie einen Hauptwächter zu Pferde und drei Unterwächter haben.«
    »Wir wollen uns verteidigen. Es ist Krieg; schön, wir werden ihn führen! Das erschreckt mich nicht,« sagte Montcornet, sich die Hände reibend.
    »Es ist ein Geldkrieg,« sagte Sibilet, »und der wird Ihnen viel schwieriger vorkommen als der andere. Man tötet wohl die Menschen, man tötet aber nicht die Interessen. Sie werden sich mit Ihrem Feinde auf dem Schlachtfelde schlagen, auf dem alle Eigentümer kämpfen: auf dem der Realisierung! Etwas erzeugen, bedeutet nichts, man muß verkaufen; und um zu verkaufen, muß man mit aller Welt in guten Beziehungen stehen.«
    »Ich werde die Leute der Gegend für mich haben.«
    »Und wodurch?« fragte Sibilet.
    »Indem ich ihnen Gutes tue.«
    »Den Bauern des Tales, den Kleinbürgern von Soulanges Gutes tun!« sagte Sibilet, infolge der Ironie, die in einem seiner Augen stärker flammte als im anderen, schrecklich schielend. »Der Herr Graf weiß nicht, was er unternehmen will! Unser Herr Jesus Christus würde hier ein zweites Mal am Kreuze sterben!... Wenn Sie Ihre Ruhe haben wollen, Herr Graf, ahmen Sie die verstorbene Mademoiselle Laguerre nach, lassen sich plündern oder jagen den Leuten Angst ein. Das Volk, die Weiber und die Kinder lassen sich durch den Schrecken regieren. Das war das große Geheimnis des Konvents und des Kaisers.«
    »Ei, wir sind also im Walde von Boudy!« rief Montcornet. »Lieber Freund,« sagte Adeline, die gekommen war, zu Sibilet, »dein Frühstück wartet auf dich.
    Verzeihung, Herr Graf, aber er hat seit heute früh nichts zu sich genommen und ist schon bis Ronquerolles gewesen, um dort Getreide abzuliefern!«
    »Gehen Sie, gehen Sie, Sibilet!...«
    Am folgenden Morgen, nachdem er lange vor Tage aufgestanden war, kam der alte Kürassier durchs Avonnetor

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