Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Titel: Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
einem Strahl kalten Wassers wieder zur Besinnung brachte.
    »Wo bin ich?« fragte die Kleine, als sie ihre schönen schwarzen Augen wieder auftat, aus denen, hätte man sagen können, ein Sonnenstrahl aufblitzte.
    »Ah! Ohne mich«, antwortete Cathérine, »würdest du tot sein.«
    »Danke,« sagte die Kleine noch ganz betäubt. »Was ist mir denn zugestoßen?«
    »Du bist gegen eine Wurzel gerannt und hast, wie von einer Kugel getroffen, alle viere von dir gestreckt. Ach, wie du liefest! ... stürmtest wie eine Besessene dahin!«
    »Dein Bruder ist schuld an diesem Sturz,« sagte die Péchina, die sich erinnerte, Nicolas gesehen zu haben.
    »Mein Bruder? Ich hab' ihn nicht gesehen,« sagte Cathérine. »Und was hat dir denn mein armer Nicolas getan, daß du Angst wie vor einem Werwolf vor ihm hast? Ist er nicht schöner als dein Monsieur Michaud?«
    »Oh!« sagte die Péchina stolz.
    »Geh, meine Kleine, du reitest dich ins Unglück, wenn du die Leute liebst, die uns verfolgen! Warum bist du denn nicht auf unserer Seite?«
    »Warum setzt ihr niemals einen Fuß in die Kirche? Und warum stehlt ihr Tag und Nacht?« fragte das Kind.
    »Du willst dich also von dem Geschwätz der Bourgeois betören lassen?« antwortete Cathérine verächtlich und ohne der Péchina Anhänglichkeit zu ahnen. »Die Bourgeois lieben uns, wie sie die Küche lieben, alle Tage müssen sie neue Gerichte haben. Wo hast du denn Bourgeois gesehen, die uns, uns Bauernmädchen heiraten? Sieh doch, ob Sarcus le Riche seinem Sohne gestattet, sich mit der schönen Gatienne Giboulard aus Auxerre zu verheiraten, die immerhin noch eines reichen Tischlermeisters Tochter ist! ... Nie bist du ins Soulanger Tivoli zu Socquard gegangen; komm hin, da sollst du sie sehen, die Bourgeois! Dann wirst du begreifen, daß sie kaum das Geld wert sind, das man ihnen abzapft, wenn man sie reinlegt! Komm doch dies Jahr auf den Jahrmarkt!«
    »Man sagt, er wäre sehr schön, der Jahrmarkt von Soulanges,« rief harmlos die Péchina.
    »In zwei Worten will ich dir sagen, was da los ist,« fuhr Cathérine fort. »Man wird da angeblinzelt, wenn man schön ist. Wozu dient es denn, hübsch zu sein, wie du es bist, wenn nicht, um von den Männern bewundert zu werden? Ach, als ich zum ersten Male sagen hörte: ›Welch ein hübsches Stück Mädchen!‹ ist all mein Blut zu Feuer geworden. Es war bei Socquard, mitten im Tanzen, mein Großvater, der die Klarinette spielte, schmunzelte darüber. Groß und schön wie der Himmel ist mir das Tivoli vorgekommen; doch das kommt daher, mein Mädchen, daß alles mit Glaslampen erleuchtet ist, man möchte meinen, man wäre im Paradies ... Die Herren von Soulanges, Auxerre und Ville-aux-Fayes sind alle da. Seit jenem Abend hab' ich den Ort, wo mir diese Worte wie Militärmusik in den Ohren getönt, ins Herz geschlossen. Man würde sein ewiges Leben dafür hingeben, um das von dem Manne, den man liebt, von sich sagen zu hören.«
    »Aber ja, vielleicht,« antwortete die Péchina mit nachdenklicher Miene.
    »Komm doch hin, diesen Segen des Mannes zu hören, es wird dir nicht daran fehlen!« rief Catherine. »Donnerwetter, man hat doch Aussichten, wenn man so brav ist wie du, eine gute Heirat zu machen! Monsieur Lupins Sohn, Amaury, der Anzüge mit goldenen Knöpfen trägt, wäre imstande, dich zur Ehe zu begehren! Das ist noch nicht alles, geh! Wenn du wüßtest, was man dort gegen den Kummer findet! Socquards gekochter Wein würde dich das größte Unglück vergessen machen. Stell' dir doch vor, daß man danach wie im Traum ist! Man fühlt sich viel leichter! Hast du niemals gekochten Wein getrunken? ... Nun, dann kennst du das Leben nicht!«
    Das von den Erwachsenen erlangte Privileg, sich von Zeit zu Zeit die Kehle mit einem Glas gekochten Weines auszuspülen, reizt in so hohem Maße die Neugierde der Kinder über zwölf Jahre, daß Geneviève einmal ihre Lippen in ein kleines Glas gekochten Weines getaucht hatte, das ihrem kranken Großvater vom Arzt verordnet worden war. Dies Probieren hatte in der Erinnerung des armen Kindes eine Art von Zauber zurückgelassen, der die Aufmerksamkeit erklären kann, die Cathèrine zuteil ward und auf die das wilde Mädchen baute, um den Plan zu verwirklichen, den sie zum Teil schon ausgeführt hatte. Zweifelsohne wollte sie das durch seinen Fall betäubte Opfer zu jener moralischen Trunkenheit bringen, die so gefährlich ist für Mädchen, die auf dem Lande wohnen, und deren der Nahrung beraubte

Weitere Kostenlose Bücher