Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
nicht mehr ohne meine Schere ausgehen.«
»Du wirst still sein, oder ich werde dich in die Avonne schmeißen,« drohte die wilde Cathérine.
»Ihr seid Ungeheuer!...« rief der Pfarrer, »Ihr verdient verhaftet und vor Gericht gestellt zu werden!«
»Ei, was tut ihr denn in euren Salons,« fragte Nicolas, die Gräfin und Blondet, welche innerlich bebten, ansehend. »Ihr spielt, nicht wahr? Nun, die Felder gehören uns, immer kann man nicht arbeiten, wir spielen!... Fragt meine Schwester und die Péchina.«
»Wie, ihr prügelt euch also, wenn ihr spielt?« rief Blondet.
Nicolas warf Blondet einen Blick zu, als wollte er ihn ermorden.
»Red' doch!« sagte Cathérine, die Péchina beim Vorderarm packend und ihn so pressend, daß ein blauer Ring zurück blieb, »haben wir nicht Spaß miteinander gemacht?...«
»Ja, Madame, wir machten Spaß,« sagte das durch seine Kraftanspannung erschöpfte Kind, indem es in sich selber zusammensank, wie wenn es ohnmächtig werden wollte.
»Da hören Sie's, Madame,« sagte Cathérine unverschämt, indem sie die Gräfin mit einem jener Blicke maß, die Frauen Frauen zuwerfen und die Dolchstössen gleich sind.
Sie nahm ihren Bruder beim Arm und beide gingen sie fort, ohne sich über die Gedanken, welche sie den drei Personen eingeflößt hatten, im Unklaren zu sein. Nicolas drehte sich zweimal um und zweimal begegnete er Blondets Blick. Dieser maß den fünf Fuß acht Zoll hohen, breitschultrigen, dunkelbraunen Bengel mit seinen schwarzen, krausen Haaren, dessen ziemlich hübsches Gesicht um Mund und Lippen Züge zeigte, welche die den Lüstlingen und Nichtstuern eigentümliche Grausamkeit erraten ließen. Cathérine schlenkerte ihren weißen, blaugestreiften Rock mit einer gewissen perversen Koketterie.
»Kain und sein Weib!« sagte Blondet zum Pfarrer.
»Sie wissen nicht, bis zu welchem Grade Sie den Nagel auf den Kopf treffen,« erwiderte Abbé Brossette.
»Ach, Herr Pfarrer, was werden die mit mir anstellen,« sagte die Péchina, als Bruder und Schwester in einer Entfernung waren, wo sie ihre Stimme nicht mehr hören konnten.
Die Gräfin war weiß wie ihr Taschentuch geworden und verspürte einen solchen Schauer, daß sie weder Blondet, noch den Pfarrer, noch die Péchina hörte.
»Das kann einen aus einem irdischen Paradiese vertreiben ...« sagte sie schließlich. »Vor allem aber retten wir dies Kind aus ihren Fingern.«
»Sie hatten recht, dies Kind ist ein ganzes Gedicht, ein lebendiges Gedicht,« sagte Blondet ganz leise zur Gräfin.
In diesem Momente befand sich die Montenegrinerin in dem Zustande, wo Körper und Seele sozusagen dampfen nach dem Brande eines Zorns, der alle intellektuellen und physischen Fähigkeiten ihre höchste Kraft hat verausgaben lassen. Das ist ein unerhörter, außerordentlicher Glanz, der nur unter dem Drucke eines Fanatismus den Widerstand oder den Sieg der Liebe oder des Märtyrertums hervorsprudeln läßt. In einem braun- und gelbgestreiftem Kleide, mit einer Halskrause, die es selber faltete, indem es frühzeitig aufstand, von Hause weggegangen, hatte das Kind noch nicht die Unordnung seines von Erde beschmutzten Kleides und seiner zerrissenen Halskrause gemerkt. Als es sein Haar sich auflösen fühlte, suchte es seinen Kamm. Während dieser ersten Bewegung der Verwirrung erschien der gleichfalls durch die Schreie herbeigelockte Michaud am Orte der Szene. Als sie ihren Abgott sah, fand die Péchina ihre ganze Energie wieder.
»Er hat mich nicht einmal angerührt, Monsieur Michaud!« rief sie.
Dieser Ruf, der Blick und die Bewegung, die einen beredten Kommentar dazu bildeten, sagten Blondet und dem Pfarrer in einem Augenblick mehr als Frau Michaud der Gräfin von der Liebe des seltsamen Mädchens zu dem Hauptwächter, der nichts davon merkte, erzählt hatte.
»Der Elende!« rief Michaud.
Und mit jener unwillkürlichen, ohnmächtigen Geste, die den Narren wie den Weisen entfährt, drohte er Nicolas mit der Faust, dessen hohe Gestalt im Walde, in den er mit seiner Schwester trat, verschwand.
»Ihr habt also nicht gespielt?« fragte Abbé Brossette, indem er der Péchina einen bedeutsamen Blick zuwarf.
»Quälen Sie sie nicht,« sagte die Gräfin, »gehen wir nach Hause!«
Obwohl sie sich wie zerschlagen fühlte, schöpfte die Péchina aus ihrer Liebe genugsam Kraft, um zu gehen: ihr angebeteter Meister blickte sie ja an! Die Gräfin folgte Michaud auf einem jener nur Wilddieben und Flurwächtern bekannten Pfade, wo man nur zu
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