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Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Titel: Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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werden Sie die Schafotte wiedersehen, auf denen Ihre Vorfahren um ihrer Väter Fehler willen gestorben sind. Gutes tun, heimlich, in einem Erdenwinkel wie Rigou zum Beispiel dort Böses tut ... ach, das sind tätige Gebete, die Gott gefallen! ... Wenn drei Wesen in jeder Gemeinde das Gute wollten, würde Frankreich, unser schönes Land, vor dem Abgrunde bewahrt bleiben, in den wir rasen und in welchen eine Gleichgültigkeit gegen alles hinreißt, was nicht wir sind! Aendern Sie zuerst, ändern Sie Ihre Sitten, und Sie werden dann Ihre Gesetze ändern ...«
    Obwohl die Gräfin tief bewegt war beim Anhören dieses wahrhaft katholischen Feuers der Nächstenliebe, antwortete sie mit jenem fatalen: »wir wollen sehen« der Reichen, das genug Versprechungen enthält, um sich einem Appell an ihre Börse entziehen zu können, und das ihnen später erlaubt, gegenüber allem Unglück unter dem Vorwande, daß es nun einmal geschehen sei, mit verschränkten Armen zu verharren.
    Als Abbé Brossette dies Wort hörte, grüßte er Madame de Montcornet und schlug eine Allee ein, die geradeswegs nach dem Blangytore führte.
    »Belsazars Fest soll also das ewige Symbol der letzten Tage einer Kaste, einer Oligarchie, einer Herrschaft sein!« sagte er sich, als er zehn Schritte entfernt war. »Mein Gott, wenn es dein heiliger Wille ist, die Armen wie einen Wildbach zu entfesseln, um die Gesellschaft umzugestalten, dann begreife ich, daß du die Reichen ihrer Blindheit überläßt!«

XII
In welcher Weise die Schenke das Parlament des Volkes ist
    Als die alte Tonsard aus vollem Halse schrie, hatte sie einige Leute aus Blangy angelockt, die gerne wissen wollten, was im Grand-I-Vert vor sich ging; denn die Entfernung zwischen Dorf und Schenke war nicht beträchtlicher als zwischen der Schenke und dem Blangytore. Einer der Neugierigen war gerade der Biedermann Niseron, der Großvater der Péchina, welcher, nachdem er den zweiten Angelus geläutet hatte, zurückkam, um seinen kleinen Weinberg, sein letztes Stück Land, zu bearbeiten.
    Durch die Arbeit gekrümmt, weiß von Gesicht, mit Silberhaaren, war dieser alte Weinbauer, der allein die ganze Rechtschaffenheit der Gemeinde vorstellte, während der Revolution Präsident des Jakobinerklubs in Ville-aux-Fayes und Geschworener beim Distriktsrevolutionstribunal gewesen. Jean François Niseron, der aus demselben Holze geschnitzt war wie die Apostel, bot ehedem das für alle Pinsel immer gleiche Bildnis dieses heiligen Petrus, in dem die Maler allesamt die viereckige Stirn des Volkes, das natürlich frisierte starke Haar des Arbeiters, die Muskeln des Proletariers, die Hautfarbe des Fischers, die mächtige Nase, den halb spöttischen Mund, der das Unglück geringschätzt, endlich die Haltung des Starken dargestellt haben, der Holz im benachbarten Walde schlägt, um sein Mittagbrot zu kochen, während die Doktrinäre die Sache erörtern.
    So war mit vierzig Jahren zu Beginn der Revolution dieser stahlharte, wie Gold so lautere Mensch beschaffen. Als Volksverteidiger glaubte er an eine Republik, als er das Rollen dieses Namens hörte, der vielleicht noch fürchterlicher ist als der Gedanke selbst. Er glaubte an Jean-Jacques Rousseaus Republik, an die Brüderlichkeit der Menschen, an den Austausch schöner Gefühle, an die feierliche Bekanntmachung des Verdienstes, an die Wahl ohne Bewerbung, kurz an alles, was die mäßige Ausdehnung eines Bezirks wie Sparta ermöglicht, die Größenverhältnisse eines Kaiserreichs aber zum Hirngespinst machen. Er vertrat seine Gedanken mit seinem Blute: sein einziger Sohn ging an die Grenze ab. Er tat noch mehr, er vertrat ihn – ein letztes Opfer der Selbstsucht – mit seinen Interessen. Als Neffe und einziger Erbe des Pfarrers von Blangy, konnte der allmächtige Tribun des Landes der schönen Arsène, der hübschen Magd des Entschlafenen, die Erbschaft wieder wegnehmen, achtete aber des Testators Willen und wählte das Elend, das sich für ihn ebenso prompt einstellte wie der Verfall für seine Republik.
    Niemals kam ein Heller, ein Baumzweig, der einem anderen gehörte, in die Hände dieses erhabenen Republikaners, der, wenn er Schule machen könnte, die Republik annehmbar machen würde. Er weigerte sich, Nationalgüter zu kaufen; er bestritt der Republik das Recht der Einziehung. In Beantwortung der Fragen des Komités für öffentliches Wohl wünschte er, daß Bürgertugend fürs heilige Vaterland die Wunder bewirke, welche die Wucherer der Macht durch

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