Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Titel: Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
zweit nebeneinander hergehen kann, der aber geradewegs nach dem Avonnetore führte.
    »Michaud,« sagte sie mitten im Walde, »man muß ein Mittel finden, die Gegend von diesem üblen Burschen zu befreien; denn das Kind ist vielleicht mit dem Tode bedroht.«
    »Zunächst«, erwiderte Michaud, »wird Geneviève den Pavillon nicht verlassen; meine Frau soll Vatels Neffen, der die Parkalleen in Stand hält, zu sich nehmen; wir werden ihn durch einen Jungen aus meiner Frau Heimat ersetzen, denn man darf nach Les Aigues nur noch Leute bringen, derer wir sicher sind. Wenn Gounod und Cornevin, der alte Nährvater, bei uns sind, werden die Kühe in guter Hut sein und die Péchina wird nur noch in Begleitung ausgehen.«
    »Ich werd's Monsieur sagen, daß er Sie für diesen Zuwachs von Ausgaben entschädigt,« erwiderte die Gräfin, »doch das befreit uns immer noch nicht von Nicolas. Wie können wir das durchsetzen?«
    »Das Mittel ist ganz einfach und schon gefunden,« antwortete Michaud. »Nicolas muß in einigen Tagen vor die Musterungskommission; anstatt seine Freilassung zu betreiben, braucht der General, auf dessen Protektion die Tonsard rechnen, ihn zur Strafe nur besonders anzuempfehlen ...«
    »Ich werde, wenn's nötig ist', sagte die Gräfin, »selber meinen Vetter de Castéran, unseren Präfekten, aufsuchen; doch bis dahin zittere ich ...« Diese Worte wurden am Ende des Fußpfades, der am Rondell mündete, gewechselt. Als man am Grabendamm anlangte, konnte die Gräfin nicht an sich halten, keinen Schrei auszustoßen; Michaud sprang herzu, um sie zu stützen, da er glaubte, sie habe sich an irgendeinem trockenen Dorn verletzt; aber er zitterte bei dem Schauspiel, das sich seinen Augen darbot.
    Marie und Bonnebault saßen auf der Grabenböschung und schienen zu plaudern, hatten sich dort aber zweifelsohne verborgen, um zu lauschen. Offenbar hatten sie ihren Platz im Walde verlassen, als sie Leute kommen hörten und Bourgeois-Stimmen vernahmen.
    Nach sechsjähriger Dienstzeit bei der Kavallerie war Bonnebault, ein großer magerer Bursche, vor einigen Monaten nach Conches zurückgekommen. Seine endgültige Dienstentlassung verdankte er seiner schlechten Aufführung; durch sein Beispiel würde er die besten Soldaten verdorben haben. Er trug einen Schnurrbart und eine Fliege, eine Eigentümlichkeit, die Bonnebault, verbunden mit dem Einfluß der Haltung, die Soldaten im Kasernenleben annehmen, zum Hahn im Korbe bei den Mädchen des Tales gemacht hatte.
    Seine Haare waren am Hinterkopf nach militärischer Sitte kurz geschoren, vorn trug er sie frisiert, kämmte sie an den Schläfen in koketter Weise zurück und trug seine Feldmütze verwegen schief. Kurz, verglichen mit den Bauern, die wie Mouche und Fourchon fast alle zerlumpt umherliefen, war er in seiner Leinenhose, in Stiefeln und kurzem Wams herrlich angezogen. Diese nach seinem Freikommen angeschafften Sachen trugen das Gepränge der Entlassung und des Landlebens, doch der Haupthahn des Tales besaß ihrer noch bessere für die Festtage. Er lebte, sagen wir's nur, von den Geschenken seiner guten Freundinnen, die kaum für die Verschwendungen, die Kneipereien und Verluste aller Art, welche der häufige Besuch des Café de la Paix mit sich brachten, ausreichten.
    Trotz seines runden, flachen, beim ersten Anblick ziemlich hübschen Gesichts hatte der Bursche etwas Unheimliches. Er sah nach einwärts, das heißt, eins seiner Augen folgte der Bewegung des andern nicht; er schielte nicht, doch seine Augen waren, um einen in der Malerei gebräuchlichen Ausdruck anzuwenden, nicht immer beisammen. Dieser wiewohl leichte Fehler gab seinem Blicke einen düsteren, beunruhigenden Ausdruck, dadurch daß er mit einer Bewegung auf der Stirn und in den Augenbrauen übereinstimmte, die eine Art Charakterfeigheit, eine Anlage zur Herabwürdigung seiner selbst offenbarte.
    Mit der Feigheit verhält's sich wie mit dem Mute: es gibt davon verschiedene Arten. Bonnebault, der sich wie der tapferste Soldat geschlagen haben würde, war seinen Lastern und Launen gegenüber schwach. Faul wie eine Eidechse, tätig nur für das, was ihm behagte, ohne das geringste Zartgefühl, gleichzeitig stolz und unterwürfig, zu allem fähig und nachlässig, bestand das Glück dieses Teller- und Herzenbrechers, um uns eines Soldatenausdrucks zu bedienen, im Bösestun und Verwüsten. Auf dem flachen Land gibt solch ein Charakter ein ebenso übles Beispiel wie im Regiment. Wie Tonsard und wie Fourchon wollte

Weitere Kostenlose Bücher