T Tödliche Spur: Thriller (German Edition)
Bettkante sinken.
»Wenn du wieder einmal mitten in der Nacht während eines Wolkenbruchs auf dem Witwensteg herumgeisterst, solltest du einen Regenschirm mitnehmen.«
»Was –«
Ava verstummte. Er hatte sie bereits bei einer Lüge ertappt, da wollte sie ihm keine weitere auftischen.
»Ich habe dich gesehen, Cousinchen. Auf dem Dach.« Seine Mundwinkel zuckten besorgt. »Was zum Teufel hattest du da oben zu suchen?«
»Ich konnte nicht schlafen«, log sie nun doch. »Die ganze Zeit über musste ich an meinen Sohn und an meinen Bruder denken. Deshalb bin ich hinaufgestiegen, weil man von dort den besten Blick auf den Anleger hat und auf die Stelle, an der die
Bloody Mary
untergegangen ist.«
»Und deshalb hast du mich angelogen?«
War er tatsächlich verletzt?
»Ich wollte nicht schon wieder als Verrückte dastehen!«
Er seufzte, dann blickte er die Galerie entlang Richtung Hintertreppe und rieb sich mit der Hand den Nacken. »Es ist wirklich nicht gerade vernünftig, im prasselnden Regen dort oben herumzuspuken. Außerdem ist es gefährlich. Genauso gefährlich, wie wegen einer Wahnvorstellung in die Bucht zu springen.«
»Bitte, Trent. Verrat mich nicht.«
Er zögerte.
»Bitte.«
Unten schlug wieder die alte Standuhr.
Bong!
Inzwischen war es schon eins.
Trent stieß die Luft aus, dann sagte er: »Ich werde dich nicht verraten, aber du musst mir eins versprechen: Nimm Hilfe in Anspruch. Wenn nicht von Eve, dann von jemand anderem. Das Ganze ist nicht normal, Ava.«
»Ich bin nicht verrückt«, widersprach sie. »Ganz bestimmt nicht.« Es gelang ihr nicht, die Enttäuschung in ihrer Stimme zu verbergen.
»Du brauchst Hilfe, Ava«, widerholte Trent, dann fügte er kopfschüttelnd hinzu: »Vielleicht brauchen wir das alle. Aber jetzt geh ins Bett, okay? Und dort bleibst du bis morgen früh. Es ist schon spät.«
»Einverstanden«, versprach sie. Als er die Tür hinter sich schloss, spürte sie, dass sie das Vertrauen eines der wenigen Menschen verloren hatte, die sie für Verbündete gehalten hatte. Trent würde ihr nie wieder glauben.
Kapitel einunddreißig
D as war das Problem mit Lügen: Eine Lüge zog stets eine weitere nach sich und noch eine, und irgendwann verhedderten sie sich und erinnerten an eine sich windende Schlange – ohne Anfang und Ende. Wenn man ein guter Lügner sein wollte, musste man sich stets genau daran erinnern, was man wem gesagt hatte, und das war schwierig. Lügengebäude waren nicht auf solidem Grund errichtet, sie standen vielmehr auf Treibsand und konnten jederzeit einsacken, wobei sie den Lügner nicht selten mitrissen und unter sich begruben.
Glücklicherweise war Ava nie zum Lügen gezwungen gewesen, hatte stets geradeheraus sein können.
Bis jetzt.
»Gewöhn dich dran«, murmelte sie, als sie nun, das Handy am Ohr, vor ihrem Fenster stand und die Wolken betrachtete, die über die Bucht hinwegzogen. Hoffentlich ging Tanya bald dran! Nach ihrer Entdeckung von letzter Nacht brauchte Ava dringend eine Verbündete, jemanden, dem sie trauen konnte – und die Personen, die in diese Kategorie fielen, wurden zusehends weniger.
»Hallo?«
Sie hörte Tanyas gedämpfte Stimme – scheinbar sprach sie mit jemandem in der Nähe -, dann deutlicher: »Ava, wie schön, von dir zu hören!« Offenbar hatte sie ihre Nummer auf dem Display gesehen.
»Tanya, ich muss dich sehen, und zwar dringend!«
»Oje, ist es so wichtig? Der Tag heute ist ziemlich voll. Worum geht es denn?«
»Das kann ich dir am Telefon nicht sagen. Bitte, Tanya. Wir müssen zusammen nach Seattle fahren.«
»Mal sehen … Vor drei komme ich hier nicht weg. Gloria Byers kommt um eins zum Schneiden und Färben, das dauert mindestens zwei Stunden, wenn nicht länger. Ach, dann muss ich diesen Termin eben verlegen. Ich geb mir Mühe! Die Kinder sind kein Problem – Russ passt heute auf sie auf. Er holt sie von der Schule ab, und scheinbar hat er vor, mal wieder auf Superdad zu machen. Der Gedanke macht mich nervös, aber ich kann eh nichts daran ändern.«
Ava blickte auf die Uhr auf ihrem Nachttisch. Es war schon fast zehn. »Ich würde gern gegen Mittag aufbrechen. Schau mal, was du tun kannst, und ruf mich zurück.«
»Das mache ich. Manchmal ist es wirklich Mist, alleinerziehende Mutter zu sein.«
Frustriert legte Ava auf und überlegte, was sie tun sollte, wenn Tanya als Alibi ausschied. Ohne eine Freundin würde ihr Ausflug nach Seattle, wo sie die nötige Ausrüstung für ihr Vorhaben
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