T Tödliche Spur: Thriller (German Edition)
bist und immer gleich vom Schlechtesten ausgehst.
Sie lächelte. Inzwischen hatten sich die Wolken ganz vor die Sonne geschoben. Als die ersten Regentropfen fielen, setzte sie ihre Kapuze auf und eilte weiter durch die Seitenstraßen. Den Kopf gegen den auffrischenden Wind gebeugt, beschloss sie, die Abkürzung durch den Park zu nehmen, wo eine ältere Frau ihre beiden Hunde spazieren führte. Die noch jungen Windhunde zerrten sie hierhin und dorthin. Die Nasen dicht am nassen Gras, verfolgten sie ein graues Eichhörnchen, das die Dreistigkeit besaß, von einer Eiche zur nächsten zu huschen.
»Harold! Maude! Vorwärts!«, rief die Frau und riss an den Leinen, doch die schlanken Hunde dachten gar nicht daran, ihre Jagd aufzugeben. Sie stellten sich auf die Hinterbeine und bellten sich die Lunge aus dem Leib, während die Frau versuchte, sie in einen kleinen blauen Subaru zu verfrachten, der am Straßenrand parkte.
»Es regnet!«, teilte sie den beiden ungestümen Tieren mit, doch weder Harold noch Maude schien das zu interessieren. »Muss ich erst drohen? Rein ins Auto, und zwar
sofort!
«
Die Hunde rührten sich nicht vom Fleck und kläfften unbeeindruckt weiter. Ava machte einen Bogen um die drei und ging mit großen Schritten weiter zum Ende des Parks, wo sich ein schmiedeeisernes Tor zur nächsten Straße hin öffnete. Sie wollte gerade hinübergehen, als sie plötzlich wie angewurzelt stehen blieb.
Ihr Ehemann hielt die Tür eines Coffeeshops auf und blickte hinein. Eine Sekunde später kam Dr. McPherson heraus, elegant gekleidet mit Stiefeln, einem schmalen Rock und einer schicken Lederjacke. Sie spannte ihren Regenschirm auf, dann drehte sie sich zu Wyatt um. Avas Ehemann hakte sich bei der Therapeutin ein, und die beiden spazierten Richtung Bucht von dannen.
Ava vermochte sich nicht zu rühren.
Ihr Herz hämmerte in der Brust, als sie dem Paar hinterherblickte. Wyatt, den Kopf unter Evelyn McPhersons Regenschirm, ließ deren Ellbogen nicht los und geleitete sie fürsorglich über den nassen Gehsteig – eine nahezu besitzergreifende Geste.
Was hatte das zu bedeuten? Ava bemerkte weder das Prasseln des Regens noch das Wasser, das von einer Pfütze aufspritzte und ihr gegen die Beine schlug, sobald ein Auto vorbeifuhr.
Das bedeutet gar nichts,
redete sie sich ein. Absolut nichts.
Trotzdem blieb ein schales Gefühl des Misstrauens, das sie kannte, seit sie die Klinik verlassen hatte. Das Gefühl, dass nichts und niemand so war, wie es schien. Nicht einmal ihr eigener Ehemann.
Schon gar nicht dein eigener Ehemann.
Zum Glück war Wyatt so beschäftigt mit Dr. McPherson gewesen, dass er seine tropfnasse Frau auf dem Gehsteig gar nicht wahrgenommen hatte.
Gut.
Es war besser, wenn niemand wusste, was sie auf dem Festland tat.
Sie hielten sie auch so schon für durchgedreht.
Wenn jemand auf der Insel herausfand, dass sie eine Hypnotiseurin aufsuchen wollte, würde sie sich vor lauter Fragen und hochgezogenen Augenbrauen nicht mehr retten können.
Das Schlimme war, sie konnte ihnen deswegen keinen Vorwurf machen.
Selbst in ihren Ohren klang das verrückt.
Kapitel sechs
A ls sie sicher sein konnte, dass Wyatt und die Therapeutin außer Sichtweite waren, warf Ava ihren noch nicht ganz leeren Kaffeebecher in einen Mülleimer und marschierte anschließend die restlichen drei Blocks zur Praxis der Frau, von der sie sich hypnotisieren lassen wollte.
Unterwegs redete sie sich weiterhin ein, es habe ganz und gar nichts zu bedeuten, dass sich Wyatt mit ihrer Psychiaterin traf, dass sie Vertrauen haben musste. Dann blieb sie vor einem großen viktorianischen Haus stehen. Einst hatte es einem Holzbaron gehört, jetzt hatte man es in mehrere Apartmenteinheiten umgewandelt. Die neue Besitzerin, Cheryl Reynolds, eine Frau in den Fünfzigern, behauptete, über die besondere Gabe zu verfügen, ihre Klienten nicht nur hypnotisieren, sondern auch – gegen einen kleinen Aufpreis – deren Zukunft vorhersagen zu können.
Du hast doch noch nie an solch einen Hokuspokus geglaubt, oder? Erinnerst du dich nicht mehr, wie du einmal auf dem Jahrmarkt einem Hypnotiseur zugesehen hast, der sich angeblich »Leute aus dem Publikum« holte, die alle so taten, als würden sie schlafen, und die dann plötzlich aufstanden und mit den Armen wedelten, als seien sie flatternde Hühner? Und das willst du nun selbst ausprobieren? Es hat doch schon beim ersten Mal nicht geklappt. Trotzdem bist du abermals hier und hoffst auf –
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