T Tödliche Spur: Thriller (German Edition)
richtig: Die Hintertür zur Veranda hatte an jenem Abend eine Zeitlang offen gestanden. Die Fliegengittertür war im Wind auf- und zugeschlagen, ein Geräusch, das bei dem Lärmpegel niemand bemerkt hatte. Erst später hatte Virginia eingeräumt, etwas gehört zu haben, doch sie hatte gedacht, das Geräusch sei von weiter entfernt gekommen, von der Scheune oder den Stallungen.
Die Köchin war den Großteil des Abends in der Küche gewesen. Auch Khloe und ihr Mann Simon hatten gearbeitet, Khloe hatte ihre Mutter in der Küche unterstützt, während sich Simon mit Ned Fender, ihrem Rancharbeiter, und Butch Johansen abgewechselt hatte, die Gäste vom Festland abzuholen oder dorthin zurückzubringen.
Graciela hatte geholfen, die Horsd’œuvres herzurichten und herumzureichen, außerdem war sie dafür zuständig gewesen, die Räumlichkeiten sauber zu halten, hatte gebrauchte Servietten eingesammelt, schmutzige Tabletts, abgestellte Teller und leere Gläser.
Demetria hatte einen Teil des Abends damit verbracht, sich um Jewel-Anne zu kümmern; nachdem sich diese in ihr Zimmer zurückgezogen hatte, war sie allein unten geblieben. Ava erinnerte sich, gesehen zu haben, wie sie sich mit Ian unterhielt und wie sie danach ein Glas Wein mit Wyatt trank; auch mit Tanya hatte sie gesprochen.
Alle, die an der Ausrichtung der Party beteiligt gewesen waren, hatten für den überwiegenden Teil des Abends ein Alibi, doch bei den Gästen war es ein ständiges Kommen und Gehen gewesen.
Dennoch gaben fast alle an, sie seien im Erdgeschoss geblieben. Nur einige waren die Treppe vom Foyer hinauf in den ersten Stock gestiegen, um nach einer weiteren Toilette Ausschau zu halten. Keiner von ihnen war oben gewesen, nachdem Ava ihren Sohn zu Bett gebracht hatte, und sie alle hatten Alibis, um ihre Aussagen zu untermauern.
Wer mochte dann Noahs Zimmertür geschlossen haben?
Frustriert warf Ava die Teile des zerbrochenen Bleistifts in den Papierkorb.
So groß war die Gästeliste nun auch wieder nicht gewesen. Inman war gekommen, ja, und natürlich Tanya, die Russ mitgebracht hatte, obwohl sie zu jener Zeit bereits getrennt waren.
»Wir versuchen, die Beziehung zu kitten, den Kindern zuliebe«, hatte ihre Erklärung gelautet.
Der Versuch war gescheitert. Keine zwei Monate später hatte Tanya die Scheidung eingereicht, und Russell hatte Anchorville für immer den Rücken gekehrt.
Es waren noch andere Gäste da gewesen, Freunde, die ihre Eltern gekannt hatten, Menschen, die genauso mit Church Island verwurzelt waren wie sie selbst. Die meisten Einheimischen waren früh gegangen, noch bevor sie Noah ins Bett gebracht hatte. Sie musste daran denken, wie er sich gegen sie gelehnt und immer wieder beteuert hatte: »Noah ist nicht müde, Mommy. Gar nicht müde!«
Oh, wie sehr sie sich danach sehnte, sein Stimmchen wiederzuhören! Sie schloss die Augen und versuchte, sich einen Reim auf Noahs Verschwinden zu machen, auf die geschlossene Zimmertür. Sie hatte jene Nacht in Gedanken tausendmal an sich vorbeiziehen lassen, doch Antworten hatte sie nicht gefunden. Und jetzt … jetzt hatte sie eine Tabelle und einen Zeitstrahl. Das war nicht viel, vermutlich nicht mehr als die Polizei vor zwei Jahren erstellt hatte.
Wie war noch gleich der Name des Detectives, der die Ermittlungen geleitet hatte? Simms oder Simons oder …
Snyder!
Ja, so hieß er, Wes Snyder. Ein Mann Mitte vierzig mit einem fleischigen Gesicht und einem kugelrunden Kopf mit kurzgeschorenen Haaren. Snyder war einigermaßen freundlich gewesen und ernsthaft bemüht, außerdem wesentlich cleverer als Joe Biggs. Trotzdem hatte er mit keiner nachvollziehbaren Theorie über Noahs Verbleib aufwarten können, und obwohl es hieß, ihr Junge sei womöglich entführt worden, hatte sich nie das FBI eingeschaltet. Irgendwann hatte Snyder aufgegeben – genau wie alle anderen.
Du nicht, Ava. Du hast niemals aufgegeben und du wirst niemals aufgeben.
Sie schlug die Augen wieder auf, ergriff einen Kugelschreiber und notierte Snyders Namen auf dem Block, auf den sie zuvor
Joe Biggs
gekritzelt hatte.
Vom Handy aus rief sie das Büro des Sheriffs an und erkundigte sich nach Detective Snyder, doch man teilte ihr mit, dieser sei den Großteil des Tages außer Haus. Sie hinterließ ihm eine Nachricht, dann legte sie das Handy aus der Hand. Langsam gewann sie den Eindruck, dass ihr bei allem, was sie tat, Steine in den Weg gelegt wurden, dass einfach alle gegen sie waren.
Ihr Kopf pochte, ihre
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