T Tödliche Spur: Thriller (German Edition)
leuchtete damit über den rissigen Beton. Der Schlüssel war unter den Schminktisch gerutscht. Sie zog ihn darunter hervor und richtete sich auf, das Gesicht dem staubigen Spiegel zugewandt.
Plötzlich bemerkte sie einen dunklen Schatten, der blitzschnell über alle drei Spiegel huschte.
Ava wirbelte herum und blickte mit zusammengekniffenen Augen in die Richtung, in die sich der Schatten bewegt hatte, in Richtung Treppe.
»Wer ist da?«, fragte sie, angestrengt auf Schritte lauschend.
Nichts.
O Gott.
Spielte ihre Fantasie ihr etwa schon wieder einen Streich? Nein. Sie hatte etwas gesehen, da war sie sich ganz sicher.
Ihre Haut kribbelte, ihre Kehle wurde vor Furcht staubtrocken. Vorsichtig schlich sie vorwärts, den Strahl ihrer Handylampe in dunkle Ecken gerichtet für den Fall, dass sich dort jemand versteckte.
Was, wenn dieser Jemand eine Waffe bei sich trug? Ein Messer? Oder eine Pistole?
Eiskalte Angst machte sich in ihrer Magengrube breit, und sie spürte, wie ihr der Schweiß ausbrach, als sie sich zwischen den Stapeln von Gerümpel durchschlängelte, damit rechnend, jeden Moment die funkelnden Augen des geheimnisvollen Unbekannten mit dem Licht ihrer Handylampe zu erfassen.
Meine Güte, sie machte sich ja völlig verrückt! Auf dem Weg zur Treppe kam sie wieder an Noahs Spielsachen vorbei und blieb entgeistert stehen. Das Schaukelpferd bewegte sich langsam vor und zurück.
Ihr Herz hämmerte. Rasch warf sie einen Blick über die Schulter, halb in der Erwartung, jemand würde sich auf sie stürzen.
»Ich weiß, dass Sie hier sind«, sagte sie warnend. »Was soll das?«
Doch niemand antwortete. Nichts war zu hören, außer ihrem flachen Atem. Über ihr quietschten die Bodendielen.
Hier unten gab es für sie nichts mehr zu tun, und ehrlich gesagt war sie auch nicht in der Verfassung, einen Irren aus seinem Versteck zu locken.
»Na schön, dann bleiben Sie eben da. Ich werde oben die Tür absperren!« Mit wild trommelndem Herzen stieg sie die alten Holzstufen hinauf. Oben angekommen, atmete sie tief durch.
Sie schloss die Tür zum Treppenabgang und wollte eben ihre Drohung wahrmachen und absperren, als sie das unverkennbare Surren von Jewel-Annes Rollstuhl vernahm. Eine Sekunde später zischte ihre Cousine mit eingesteckten Ohrstöpseln um die Ecke. Sie wirkte überrascht, als sie Ava entdeckte, doch dann lächelte sie verschlagen und schüttelte den Kopf.
»Du warst im Keller?«, fragte sie, musterte Avas Haar, das voller Spinnweben war, und verzog angewidert das Gesicht. Als sie einen der Ohrhörer herausnahm, um Ava besser verstehen zu können, ertönte leise blechern Elvis’ »Suspicious Minds«. »Wieso?« Sie rümpfte die Nase. »Es ist ekelig dort unten.«
Ava strich sich die klebrigen Spinnweben aus dem Haar und von den Schultern und erwiderte: »Und woher willst du das wissen?«
»Wie bitte?«, wisperte Jewel-Anne verletzt. Ihre Finger krampften sich um die Räder ihres Rollstuhls, mühsam blinzelte sie gegen die Tränen an. »Das war ein Tiefschlag, Ava«, stieß sie mit heiserer Stimme hervor.
»We’re caught in a trap …«,
trällerte Elvis kaum hörbar.
Ava fing gerade an, ihre Worte zu bereuen, als ihre Cousine die Lippen schürzte und trotzig das Kinn vorreckte.
»Weißt du, Ava, ich habe nicht immer in diesem Rollstuhl gesessen. Hättest du an jenem Tag nicht darauf bestanden, dass wir eine Bootstour machen, wäre Kelvin noch am Leben und ich in der Lage zu laufen!«
»Hör endlich auf, mich dafür verantwortlich zu machen«, gab Ava zurück. Sie hatte es satt, von Jewel-Anne den Schwarzen Peter zugeschoben zu bekommen. »Ich hatte keine Schuld an dem Unfall.«
»Red dir das ruhig weiter ein«, sagte Jewel-Anne, »vielleicht glaubst du es dann eines Tages selbst.« Damit drückte sie einen Knopf an ihrem Rollstuhl und surrte davon.
Hin- und hergerissen zwischen Schuldgefühl und Zorn ließ sich Ava gegen den Türrahmen sinken. Rein verstandesmäßig wusste sie, dass Jewel-Anne unrecht hatte, doch mitunter brauchte man einfach jemanden, dem man die Schuld in die Schuhe schieben konnte. Niemand verstand das besser als sie selbst.
Kapitel fünfzehn
D ern hatte nicht damit gerechnet, dass Ava Garrison so war, wie sie war. Man hatte ihm erzählt, sie sei ein Nervenbündel, stünde kurz davor, vollends durchzudrehen, doch das stimmte nicht. Nachdem er sie am Abend seiner Ankunft auf der Insel aus der Bucht gezogen hatte, hatte er nach und nach festgestellt, dass sie weit
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