T Tödliche Spur: Thriller (German Edition)
schlauer und intuitiver war, als man ihm hatte weismachen wollen. Tatsächlich, so wurde ihm nun auf dem Rückweg vom Haupthaus zu seinem Apartment klar, war sie eine ernstzunehmende Größe.
»Selbst der beste Plan geht oftmals daneben«, brummte er, während er die Stufen hinaufstieg und die Tür zu seinem einstweiligen Zuhause aufschloss.
Rover erwartete ihn unruhig und warf ihm einen zutiefst beleidigten Blick zu, weil er Dern nicht hatte begleiten dürfen.
»Du kannst nicht immer mitkommen, das weißt du doch.« Dern kraulte den Schäferhundmischling hinter den Ohren, der vor Behagen ächzte und ihm bereitwillig zu verzeihen schien.
»Du verrätst mich nicht, oder?«
Als habe er sein neues Herrchen verstanden, bellte Rover einmal leise. Dern richtete sich auf, und der alte Schäferhund trottete wieder zu seinem Lieblingsplatz vor dem Feuer und machte es sich bequem.
»Braver Junge«, murmelte Dern, dann fuhr er seinen Laptop hoch und stellte eine Internetverbindung her.
Binnen Sekunden war er eingeloggt und ging sämtliche Dateien durch, die er über Ava Church Garrison, Church Island, Neptune’s Gate und die Leute, die dort lebten und arbeiteten, angelegt hatte. Ein Ordner enthielt die Geschichte von Church Island, ein anderer die Verbindungen nach Anchorville, ein dritter beinhaltete ausschließlich Informationen über Sea Cliff. Er spürte, wie sich seine Kiefermuskeln anspannten, sobald er an die ehemalige Irrenanstalt dachte. Er war über einen Zaun geklettert und durch die alten Gänge gegangen, hatte die Türen betrachtet, hinter denen einst Angestellte und Insassen gearbeitet und gelebt hatten. Abgesehen von einer dicken Staubschicht und der abgestandenen Luft wirkte alles so, als könnte der Betrieb jederzeit wiederaufgenommen werden.
Draußen, wo Wind und Regen den Mauern zugesetzt hatten, war das anders. Dern hatte den Kragen vor den stürmischen Böen hochgeschlagen und eine Runde über das eingezäunte Gelände gedreht. Die alten Wege waren grasüberwuchert, Unkraut bedeckte die rissigen Betonflächen. Verrottende Picknicktische, von denen längst die Farbe abgeplatzt war, standen vor Mauern, die bröckelig wurden unter dem Ansturm der Witterung.
Übrig geblieben waren nichts als Stillstand und Verzweiflung.
Dabei war Sea Cliff ursprünglich gar nicht als Gefängnis erbaut worden, und doch stand es jetzt genau dafür.
Zumindest für Dern.
Er würde den Schein aufrechterhalten müssen.
Zumindest, solange es dauerte.
Er hatte angefangen, die Gründe für sein Kommen zu hinterfragen, doch dann hatte er beschlossen, sämtliche Zweifel im Keim zu ersticken. Ava Garrison würde seine Pläne nicht durchkreuzen. Wenn sie zum Problem wurde, würde er sich damit befassen müssen.
Sie wäre schließlich nicht die erste Frau, die ihm in die Quere kam, und bestimmt nicht die letzte.
Der Gedanke ließ ihn zögern, hatte er doch das nagende Gefühl, dass es gar nicht so leicht wäre, mit Ava Church fertigzuwerden.
Der Anleger war leer.
Selbst durch den wabernden Nebel sah Ava, dass ihr Junge nicht am Wasser stand.
»Mommy!«, drang seine Stimme zu ihr, und sie warf die Decke zurück und sprang aus dem Bett. Nackt griff sie nach ihrem Morgenmantel, doch er ließ sich nicht von dem Haken an der Tür nehmen. Die kalte Winterluft strich über ihre Haut und ließ sie frösteln.
»Mommy?«
Du liebe Güte, er klang so verängstigt!
»Noah! Ich komme!« Sie riss die Schlafzimmertür auf und fand sich im Bootshaus wieder. Der dumpfe Geruch von Diesel und Brackwasser stach ihr in die Nase. Warum war Noah hier? Ihr Blick schweifte suchend über das trübe Wasser, doch alles, was sie sah, war ihr eigenes nacktes Spiegelbild und das eines Mannes, der hinter ihr stand, direkt hinter ihrer linken Schulter. Austin Dern, die Augen voller Geheimnisse, begegnete ihrem Blick in der kabbeligen Wasseroberfläche. Auch er war nackt. Sie schnappte nach Luft, als er die Arme um ihren Oberkörper schlang und seine starken Finger in das Fleisch über ihren Rippen drückte.
»Mommy?«
Wieder Noahs Stimme. Sie drehte sich zur Tür des Bootshauses um, und Dern löste sich auf wie eine Rauchwolke. Ava trat hinaus in die Morgendämmerung und rannte barfuß durch den Garten zur Veranda, dann ins Haus, wo sie, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Hintertreppe hinauf in den ersten Stock sprang. Noah hörte nicht auf, nach ihr zu rufen.
»Ich komme, mein Kleiner!«, schrie sie und flog förmlich den Flur entlang zum
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